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Deutscher Bundestag Entwurf des Gesamtberichts

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Enquete Gesamtbericht Stand 8.4.2013: Teil B: Projektgruppe 1<br />

Anhand dieser grundsätzlichen Überlegungen lässt sich tendenziell ein positiver Zusammenhang zwischen der<br />

Entwicklung <strong>des</strong> Finanzsystems und dem Wachstum erkennen, das heißt, eine stärkere Entwicklung <strong>des</strong><br />

Finanzmarktes geht einher mit einer höheren Wachstumsrate. Diese Erkenntnis ist für den Zeitraum der 1960er<br />

Jahre bis zur Jahrtausendwende empirisch durch eine Vielzahl an Studien belegt. Demnach weisen Länder mit<br />

einem stärker entwickelten Finanzsystem ein höheres Wirtschaftswachstum auf und es gibt Anzeichen, die auf<br />

einen positiven kausalen Einfluss <strong>des</strong> Entwicklungsgrads <strong>des</strong> Finanzsystems auf das Wirtschaftswachstum<br />

hindeuten. 85 Dabei ist es unerheblich, ob es sich um marktbasierte Systeme wie im angelsächsischen Raum oder<br />

um bankbasierte Systeme wie in Kontinentaleuropa handelt. 86 Maßgeblich ist vielmehr die ganzheitliche<br />

Entwicklung <strong>des</strong> Finanzsystems, die durch rechtliche, regulatorische und politische Rahmenbedingungen geprägt<br />

ist. Beispiele hierfür sind die Fähigkeit <strong>des</strong> Rechtssystems, sich an eine sich schnell verändernde Finanzwelt<br />

anzupassen, Gläubigerrechte, Vertragsdurchsetzung und Rechnungslegungsstandards. 87<br />

Eine Reihe von Studien zeigt zudem, dass die Finanzmarktliberalisierung der Jahre 1980 bis 1999 positiv auf das<br />

Wirtschaftswachstum gewirkt hat. So zeigen Studien, dass eine Liberalisierung der Finanzsysteme insbesondere<br />

im Zuge einer Aufhebung von internationalen Kapitalkontrollen das Wirtschaftswachstum steigert. 88 Eine<br />

Öffnung <strong>des</strong> Finanzsystems führt beispielsweise auf dem Bankenmarkt zu einem Eintritt ausländischer Banken.<br />

Dies verstärkt den Wettbewerb und führt zu mehr Effizienz.<br />

Den zahlreichen positiven Effekten eines funktionierenden Finanzsystems stehen jedoch auch mögliche Kosten<br />

gegenüber. So wurde schon lange vor der jüngsten Finanzmarktkrise darauf hingewiesen, dass ein zu schnelles<br />

Wachstum <strong>des</strong> Finanzsystems (das in der Regel mit einem starken Anstieg von Vermögenspreisen einhergeht)<br />

ein sehr zuverlässiger Indikator für Wirtschaftskrisen ist 89 und dass nicht ausreichend regulierte Finanzsysteme<br />

(vor allem in Entwicklungsländern) eine höhere Volatilität und Instabilität ihrer Wirtschaftsentwicklung nach<br />

sich ziehen. 90 Die Krise von 2008/2009 ist hier keine Ausnahme und hat zu einer breiten Debatte darüber<br />

geführt, ob der Beitrag <strong>des</strong> Finanzsystems zum Wirtschaftswachstum ein „Produktivitätswunder“ suggeriert, das<br />

es in Wirklichkeit gar nicht gibt. 91 Vor allem in Wirtschaftssystemen, die stark vom Finanzsektor abhängig sind<br />

wie zum Beispiel die USA oder Großbritannien, könnte die überhöhte Risikobereitschaft im Finanzsystem zu<br />

einem temporär höheren Anteil <strong>des</strong> Finanzsektors an der Bruttowertschöpfung, später jedoch – beim Eintreten<br />

der Risiken – zu umso größeren gesamtwirtschaftlichen Verlusten geführt haben. Eine zu weitgehende<br />

Deregulierung kann also zu Fehlentwicklungen auf den Finanzmärkten führen, die erhebliche negative<br />

Auswirkungen auf eine Volkswirtschaft nach sich ziehen.<br />

3.3.2 Zur Entwicklung der Finanzmärkte in Deutschland<br />

Eine wichtige Maßzahl für die Entwicklung <strong>des</strong> Finanzsystems ist das ausgegebene Kreditvolumen im<br />

Verhältnis zur nominalen Wirtschaftsleistung. Dabei bietet es sich an, zwischen Krediten an Banken und an<br />

Nicht-Banken, also an Unternehmen der „Realwirtschaft“ und an private Haushalte, zu unterscheiden<br />

(Abbildung 9). Beide Reihen steigen in der Tendenz an. Das bedeutet, dass die Kreditvergabe schneller<br />

zugenommen hat als die nominale Wirtschaftsleistung. Allerdings gibt es sehr unterschiedliche Phasen. Bis 1990<br />

stieg das relative Kreditvolumen im alten Bun<strong>des</strong>gebiet, ausgehend von einem geringen Niveau, stetig, aber eher<br />

langsam an. Nach der Wiedervereinigung zog die Kreditvergabe an Nicht-Banken erheblich stärker an als das<br />

nominale BIP: Zwischen 1991 und 2001 stieg die Relation dieser Kreditvergabe zum BIP daher um knapp<br />

60 Prozentpunkte. Mit kurzer Verzögerung nahm die Kreditvergabe an Banken den gleichen Verlauf; im<br />

Verhältnis zum nominalen BIP gab es einen Anstieg um 47 Prozentpunkte. Zwischen 2001 und 2012 nahm die<br />

Kreditvergabe an Nicht-Banken dagegen langsamer zu als das nominale BIP und das Verhältnis ging um mehr<br />

85<br />

Vgl. Rousseau, Peter L.; Wachtel, Paul (2000). Equity Markets and Growth; vgl. Auch Levine, Ross; Loayza,<br />

Norman; Beck, Thorsten (2000). Financial Intermediation and Growth; sowie Christopoulos, Dimitris K.;<br />

Tsionas, Efthymios G. (2004). Financial Development and Economic Growth.<br />

86<br />

Vgl. King, Robert G.; Levine, Ross (1993). Finance, Entrepreneurship, and Growth; sowie Levine, Ross;<br />

Zervos, Sara (1998). Stock Markets, Banks and Economic Growth.<br />

87<br />

Vgl. Levine, Ross; Loayza, Norman; Beck, Thorsten (2000). Financial Intermediation and Growth; Levine,<br />

Ross (2005). Finance and Growth.<br />

88<br />

Vgl. Levine, Ross; Zervos, Sara (1998). Capital Control Liberalization and Stock Market Development.<br />

Bekaert, Geert; Harvey, Campbell R. (2000). Foreign Speculators and Emerging Equity Markets; sowie Bekaert,<br />

Geert; Harvey, Campbell R.; Lundblad, Christian (2005). Does Financial Liberalization Spur Growth?<br />

89<br />

Vgl. Kaminsky, Graciela L.; Reinhart, Carmen M. (1999). The Twin Crises.<br />

90<br />

Vgl. Stiglitz, Joseph E. (2000). Capital Market Liberalization, Economic Growth, and Instability.<br />

91<br />

Siehe Haldane, Andrew; Brennan, Simon; Madouros, Vasileios (2010). What Is the Contribution of the<br />

Financial Sector: Miracle or Mirage?<br />

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