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Deutscher Bundestag Entwurf des Gesamtberichts

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Enquete Gesamtbericht Stand 8.4.2013: Teil B: Projektgruppe 1<br />

Private und öffentliche Schulden unterscheiden sich in wesentlichen Charakteristika. Im Unterschied zum Staat<br />

hat der private Haushalt nur sehr begrenzte Möglichkeiten, seine Einnahmen zu verbessern. Von daher kommt in<br />

privaten Haushalten der Ausgabenreduktion eine hohe Bedeutung zu, wenn eine weitere Neuverschuldung<br />

vermieden werden soll.<br />

Auch beim staatlichen Haushalt lässt sich eine Neuverschuldung durch Ausgabenkürzungen wie durch<br />

Einnahmeerhöhung (Steuern und Abgaben) reduzieren. Bei<strong>des</strong> wirkt hier jedoch auf die Entwicklung der<br />

Einnahmen wie auch <strong>des</strong> gesamtwirtschaftlichen Umfelds. Kürzt der Staat pauschal seine Ausgaben, führt dies<br />

unmittelbar zu einem sinkenden Steuer- und Abgabenaufkommen und reduziert auch direkt die Leistungen <strong>des</strong><br />

Staates und damit die gesamtwirtschaftliche Nachfrage. Dies kann durchaus gewollt sein, denn staatliche<br />

Ausgaben sollten immer auch hinsichtlich ihrer Wirkung überprüft werden. In Deutschland beispielsweise<br />

werden jährlich 48 Milliarden Euro für umweltschädliche Subventionen ausgegeben. 272 Unabhängig vom<br />

konkreten Investitionszweck haben staatliche Ausgaben Multiplikatoreffekte auf die Nachfrage. Werden<br />

Ausgaben in einem sehr hohen Maße zurückgefahren, kann es zu drastischen Wachstumseinbrüchen und in der<br />

Folge zu Steuerausfällen kommen, wie die aktuelle Entwicklung in den südlichen Euroländern zeigt. Das<br />

kontraproduktive Ergebnis dieser Entwicklung: Die Schuldenquote und manchmal sogar die nominellen<br />

Schulden steigen.<br />

Auch die Erhöhung von Steuern und Abgaben ist nicht neutral in ihren Effekten: Den nun höher besteuerten<br />

Haushalten und Unternehmen wird Kaufkraft entzogen. Allerdings zeigen zahlreiche Untersuchungen, dass der<br />

Kaufkraftentzug teilweise kompensiert oder sogar überkompensiert wird, da der Staat diese finanziellen Mittel<br />

zusätzlich ausgibt und es so zu einem insgesamt expansiven gesamtwirtschaftlichen Effekt kommt. 273,274 Das<br />

Ausmaß <strong>des</strong> expansiven Effekts hängt von institutionellen und makroökonomischen Rahmenbedingungen ab.<br />

Im Unterschied zum Staat haben Veränderungen im Ausgabeverhalten einzelner privater Haushalte keine<br />

unmittelbaren Auswirkungen auf deren Einnahmen. Der Staat kann dagegen zur Vermeidung weiterer<br />

Neuverschuldung gleichermaßen auf ausgaben- wie auf einnahmeseitige Maßnahmen zurückgreifen. Anders als<br />

bei einem verschuldeten privaten Haushalt liegt mit Blick auf den Staat trotz Schulden <strong>des</strong> Teilsektors<br />

„Öffentliche Haushalte“ kein gesamtstaatliches Schuldenproblem vor, solange man die Auslandsverschuldung<br />

außer Betracht lässt. Öffentliche Schulden und private Vermögen saldieren sich theoretisch zu null. Dass sich<br />

der Staat in einer Verschuldungssituation befindet, die privaten Haushalte insgesamt in einer<br />

Vermögenssituation, ist auch Folge politischer Entscheidungen – besonders in der Steuerpolitik – der<br />

Vergangenheit. Während nach Angaben der Deutschen Bun<strong>des</strong>bank sich die öffentlichen Schulden (in<br />

Abgrenzung der Maastricht-Kriterien) zwischen 2000 und 2011 um 846 Milliarden Euro erhöhten, stiegen die<br />

Nettogeldvermögen der privaten Haushalte im selben Zeitraum um 1.088 Milliarden Euro.<br />

Die Staatsverschuldung muss also stets im Verhältnis zu den Salden der anderen Sektoren einerseits und den<br />

historisch-konkreten Entwicklungen andererseits betrachtet werden. Unabhängig von den Randbedingungen<br />

lässt sich selbst für ein tradiertes Wachstumsparadigma keine a priori wachstumsoptimale Schuldenstandsquote<br />

festlegen. Stellt man noch dazu in Rechnung, dass nicht die Förderung <strong>des</strong> Wirtschaftswachstums an sich,<br />

sondern die politische Gestaltung einer nachhaltigen wie sozialen Entwicklung angestrebt wird, muss die<br />

normative Bewertung der Staatsverschuldung in einen engen Zusammenhang mit der öffentlichen<br />

Aufgabenbeschreibung gestellt werden. Dazu wird im Folgenden die Entwicklung der öffentlichen Finanzen vor<br />

dem Hintergrund der Investitionen in zentrale gesellschaftliche Bereiche analysiert.<br />

3.1.3. Die Entwicklung der öffentlichen Finanzen<br />

Die historische Entwicklung der Schuldenquote in Deutschland folgt keinem linearen Trend, sondern ist vor dem<br />

Hintergrund spezifischer Ereignisse zu begreifen. Bis zur Ölkrise 1973 bewegte sich die Schuldenquote 275<br />

durchgängig um die 20 Prozent (siehe Abbildung 26). Nach der ersten Ölkrise 1973 und dem Rückgang <strong>des</strong><br />

272 Vgl. Umweltbun<strong>des</strong>amt (2010). Umweltschädliche Subventionen in Deutschland.<br />

273 Vgl. Hemming, Richard; Kell, Michael; Mahfouz, Selma (2002). The Effectiveness of Fiscal Policy in<br />

Stimulating Economic Activity; Heilemann, Ullrich; Wappler, Stefan; Quaas, Georg; Findeis, Hagen (2008).<br />

Qual der Wahl?<br />

274 Dieses Phänomen wird in der Ökonomik auch als „Haavelmo-Effekt“ (Balanced-Budget-Theorem)<br />

beschrieben: Die Privaten hätten [?] ein Teil <strong>des</strong> zusätzlich besteuerten Einkommens gespart, während der Staat<br />

das Mehraufkommen vollständig für den Kauf von Gütern und Dienstleistungen ausgibt.<br />

275 Die Schuldenquote bezeichnet das Verhältnis zwischen der Staatsverschuldung und dem<br />

Bruttoinlandsprodukt.<br />

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