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Deutscher Bundestag Entwurf des Gesamtberichts

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Enquete Gesamtbericht Stand 8.4.2013: Teil B: Projektgruppe 1<br />

Arbeit Produktion und Einkommen erzielt, während Arbeitslosigkeit gesellschaftliche Kosten verursacht. Zum<br />

anderen sind Arbeit und Beschäftigung wichtige Aspekte <strong>des</strong> materiellen Wohlstands, der sich auf das<br />

Wohlbefinden der einzelnen Menschen auswirkt. 119 Empirische Studien belegen, dass das subjektive<br />

Wohlbefinden von Erwerbslosen niedriger ist als das von – ansonsten vergleichbaren – Beschäftigten. 120 Darüber<br />

hinaus senkt zunehmende Arbeitslosigkeit das Wohlbefinden auch von Personen, die nicht direkt betroffen sind,<br />

da Arbeitslosigkeit Ausdruck steigender wirtschaftlicher und sozialer Unsicherheit ist. 121 Arbeitslosigkeit macht<br />

also unglücklich, Beschäftigung führt zu individuellem Wohlbefinden und gesamtwirtschaftlichem Wohlstand.<br />

Dies wirft die Frage auf, wie ein hohes Beschäftigungsniveau erreicht werden kann und ob dieses Ziel bedroht<br />

wäre, wenn das Wachstum der deutschen Volkswirtschaft langfristig geringer ausfallen sollte als bisher.<br />

3.5.1 Zum Zusammenhang von Wachstum und Beschäftigung<br />

Konjunkturelle Schwankungen der gesamtwirtschaftlichen Produktion haben typischerweise erhebliche<br />

Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. So geht ein Abschwung in der Regel mit rückläufiger Beschäftigung und<br />

steigender Arbeitslosigkeit einher. Hierfür ist – neben realwirtschaftlichen Anpassungsfriktionen 122 – auch die<br />

kurzfristige Rigidität von Preisen und Löhnen verantwortlich, die einen schnellen Ausgleich von Arbeitsangebot<br />

und Arbeitsnachfrage verhindert.<br />

Jenseits konjunktureller Zyklen besteht jedoch kein allgemeingültiger Zusammenhang zwischen der<br />

Beschäftigung und dem Niveau oder dem Tempo der wirtschaftlichen Entwicklung. Dies wird gestützt durch die<br />

Beobachtung, dass deutlich ärmere Länder als Deutschland nicht unbedingt eine höhere Arbeitslosenrate<br />

aufweisen. Als entscheidender Mechanismus für den Ausgleich von Arbeitsangebot und -nachfrage fungiert der<br />

Reallohn, das heißt der Lohnsatz in Relation zum Preisniveau. 123 Bei Unterbeschäftigung entsteht ein Druck auf<br />

den Reallohn, der daraufhin allmählich zu sinken beginnt. Dies reduziert zum einen das Arbeitsangebot der<br />

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. 124 Zum anderen stimuliert es die Arbeitsnachfrage der Unternehmen.<br />

Denn die Unternehmen fragen nur diejenige Menge an Arbeit nach, deren Ertrag min<strong>des</strong>tens die Lohnkosten<br />

deckt. Bei gegebener Produktivität steigt die Arbeitsnachfrage daher mit sinkendem Reallohn, da mehr<br />

Arbeitsplätze rentabel werden. Empirische Studien belegen diese negative Arbeitsnachfrageelastizität. 125<br />

119<br />

Vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung; Conseil d’Analyse<br />

Économique (2010). Wirtschaftsleistung, Lebensqualität und Nachhaltigkeit.<br />

120<br />

Dies bedeutet, dass der Verlust an Wohlbefinden über das Maß hinausgeht, das durch die indirekten<br />

negativen Effekte der Erwerbslosigkeit wie den Einkommensverlust erklärt werden kann.<br />

121<br />

Vgl. Frey, Bruno S.; Stutzer, Alois (2002). The Economics of Happiness.<br />

122<br />

Realwirtschaftliche Anpassungsfriktionen entstehen zum Beispiel daraus, dass von einer Rezession nicht alle<br />

Firmen gleichermaßen betroffen sind. Selbst bei flexiblen Löhnen würden einige Unternehmen ihre<br />

Mitarbeiterzahl verringern, andere dagegen neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einstellen. Doch es dauert<br />

einige Zeit, bis offene Stellen sowie Bewerberinnen und Bewerber „zueinander finden“, zumal die<br />

Qualifikationsmuster nicht immer zueinanderpassen.<br />

123<br />

Die folgenden Ausführungen stützen sich insbesondere auf Franz, Wolfgang (2009). Arbeitsmarktökonomik<br />

sowie auf den Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (2006).<br />

Arbeitslosengeld II reformieren.<br />

124<br />

Ausgehend von einer Reallohnerhöhung wird das Arbeitsangebot für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer<br />

durch zwei gegensätzliche Effekte beeinflusst. Ein Lohnanstieg verteuert für Individuen zum einen die Freizeit<br />

relativ zur Verwendung als Arbeitszeit und führt zu einer Ausweitung <strong>des</strong> Arbeitsangebots (Substitutionseffekt).<br />

Bei einem insgesamt höheren Einkommen können sich Individuen zum anderen aber auch für mehr Freizeit<br />

entscheiden, wenn sie sich mit einem bestimmten Einkommen zufriedengeben (Einkommenseffekt). Empirisch<br />

betrachtet überwiegt generell der Substitutionseffekt, das heißt, das Arbeitsangebot steigt mit höherem Lohn.<br />

Siehe Franz (2009): 70 ff. für einen Überblick über die empirischen Studien.<br />

125<br />

Hansen (1978) zeigt, dass ein Anstieg der Arbeitskosten im verarbeitenden Gewerbe Westdeutschlands um<br />

1 Prozent langfristig zu einem Rückgang der Arbeitsnachfrage um 0,5 Prozent führt. Vgl. Hansen, Gerd (1978).<br />

Der Einfluss der Lohnkosten auf die Arbeitsnachfrage <strong>des</strong> verarbeitenden Gewerbes. Franz und König (1986)<br />

schätzen den Effekt, ebenfalls für das verarbeitende Gewerbe, auf rund -1 Prozent. Vgl. Franz, Wolfgang; König,<br />

Heinz (1986). The Nature and Causes of Unemployment in the Federal Republic of Germany since the 1970s.<br />

Carstensen und Hansen (2000) erhalten für die Gesamtwirtschaft Westdeutschlands einen Koeffizienten von<br />

-0,7 Prozent. Vgl. Carstensen, Kai; Hansen, Gerd (2000). Cointegration and Common Trends on the West<br />

German Labour Market. Schneider et al. (2002) zeigen, dass der Rückgang der Arbeitsnachfrage bei weniger<br />

qualifizierter Arbeit deutlich stärker ausfällt. Vgl. Schneider, Hilmar; Zimmermann, Klaus F.; Bonin, Holger;<br />

Brenke, Karl; Haisken-DeNew, John; Kempe, Wolfram (2002). Beschäftigungspotenziale einer dualen<br />

Förderstrategie im Niedriglohnbereich.<br />

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