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Deutscher Bundestag Entwurf des Gesamtberichts

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Enquete Gesamtbericht Stand 8.4.2013: Teil C: Projektgruppe 2<br />

2 Jenseits <strong>des</strong> Bruttoinlandsprodukts? Kritik am BIP als Indikator für gesellschaftlichen<br />

Wohlstand<br />

Wenn es um die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit einer Gesellschaft geht, gibt es einen seit vielen Jahren<br />

gebräuchlichen und geläufigen Indikator: das Wachstum <strong>des</strong> Bruttoinlandsprodukts (BIP). Das BIP gibt in<br />

zusammengefasster Form ein Bild der wirtschaftlichen Leistung einer Volkswirtschaft in einer Periode. 574 Das<br />

BIP erfasst, kurz gesagt, die Wertschöpfung bei der Produktion von Waren und Dienstleistungen in privaten und<br />

staatlichen Wirtschaftseinheiten im Inland, die während eines bestimmten Zeitraumes erzeugt wurde. Das BIP ist<br />

zu laufenden Marktpreisen bewertet, wird aber auch real ermittelt, indem die Preissteigerung herausgerechnet<br />

wird. Die Veränderungsrate <strong>des</strong> realen BIP wird üblicherweise als Indikator für das Wirtschaftswachstum<br />

herangezogen.<br />

Das BIP stellt eine ausgereifte, breit dokumentierte und in fast allen Ländern vergleich- und verfügbare<br />

Messgröße dar. Es ist bestens eingeführt, liegt über lange Zeitreihen vor und ist vergleichsweise verständlich.<br />

Die Messung erfolgt nach den international und europäisch harmonisierten Regeln der Volkswirtschaftlichen<br />

Gesamtrechnungen. Mit diesem umfassenden und systematischen Rechenwerk wird die wirtschaftliche<br />

Entwicklung einer Gesellschaft mit Hilfe der Entwicklung von Erwerbstätigkeit, Einkommen, Konsum, Sparen,<br />

Investitionen, Vermögen, Steuereinnahmen und Staatsausgaben in konsistenter Weise dargestellt. Damit bildet<br />

das BIP die materiellen Lebensbedingungen großer Teile der Bevölkerung ab. 575<br />

Seit geraumer Zeit gibt es Kritik - zumin<strong>des</strong>t im wissenschaftlichen Umfeld -, inwiefern das BIP als Maß für<br />

wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und insbesondere als Wohlstandsmaß geeignet ist. Hierbei ist allerdings zu<br />

beachten, dass das BIP nie als Indikator für gesellschaftlichen Wohlstand konzipiert war, wie es dennoch häufig<br />

verwendet wird, sondern stets „nur“ die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Lan<strong>des</strong> abbilden sollte. Neben<br />

der wissenschaftlichen Diskussion um allgemeine methodische und technische Schwächen <strong>des</strong> BIP richtet sich<br />

die Kritik auf drei zentrale Punkte. Die unvollständige Erfassung der gesellschaftlichen materiellen<br />

Leistungsfähigkeit, die mangelnde Berücksichtigung nicht-materieller Wohlstandsformen und fehlende<br />

Aussagen über die Einkommensverteilung. 576 Zudem werden ökologische Aspekte kaum erfasst, obwohl sie für<br />

den aktuellen und künftigen Wohlstand mit entscheidend sind.<br />

Im Einzelnen lässt sich die Kritik am BIP wie folgt zusammenfassen:<br />

1. Das BIP ist ein Bruttomaß.<br />

Das BIP erfasst sowohl wirtschaftliche Aktivitäten, die lediglich der Erhaltung <strong>des</strong> Kapitalstocks dienen, als<br />

auch jene, die den Kapitalstock mehren. Es enthält also Abschreibungen, das heißt die Kosten der Nutzung <strong>des</strong><br />

Kapitalstocks. Ferner erfasst das Inlandsprodukt – unabhängig davon, ob es brutto oder netto betrachtet wird –<br />

lediglich die Wirtschaftsleistungen der im Inland tätigen Wirtschaftseinheiten. Unberücksichtigt bleiben sowohl<br />

im Ausland erzielte Einkommen von Inländerinnen und Inländern als auch ins Ausland übertragene Einkommen<br />

von gebietsfremden Personen. 577<br />

2. Qualitätsveränderungen werden ungenau erfasst.<br />

Angesichts <strong>des</strong> wachsenden Anteils von Dienstleistungen und der Produktion zunehmend komplexerer Produkte<br />

ist es heutzutage schwieriger, die produzierte Menge und die Wirtschaftsleistung zu erfassen. Wenn in einem<br />

Sektor der Wert der produzierten Güter oder Dienstleistungen steigt, wird es <strong>des</strong>halb immer schwerer zu<br />

identifizieren, inwiefern diese Wertsteigerung auf eine Ausdehnung der produzierten Menge oder auf eine<br />

Qualitätsverbesserung zurückzuführen ist. Werden Qualitätsverbesserungen zu gering eingeschätzt, ist die<br />

ermittelte Inflationsrate zu hoch und das reale BIP damit zu niedrig. Im umgekehrten Fall trifft das Gegenteil<br />

zu. 578<br />

574<br />

Vgl. Statistisches Bun<strong>des</strong>amt (2011). Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen. Inlandsproduktberechnung:<br />

17.<br />

575<br />

Vgl. Schulte, Martin; Butzmann, Elias (2010). Messung von Wohlstand: 8 f.; vgl. Sachverständigenrat zur<br />

Beurteilung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung/Conseil d’Analyse économique (SVR/CAE) (2010).<br />

Wirtschaftsleistung, Lebensqualität und Nachhaltigkeit: 34 ff.<br />

576<br />

Vgl. ebd.: 9.<br />

577<br />

Vgl. SVR/CAE (2010): 36.<br />

578<br />

Vgl. ebd.; vgl. Stiglitz, Josef E.; Sen, Amartya; Fitoussi, Jean-Paul (2009). Report by the Commission on the<br />

Measurement of Economic Performance and social Progress: 11.<br />

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