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Deutscher Bundestag Entwurf des Gesamtberichts

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Enquete Gesamtbericht Stand 8.4.2013: Teil B: Projektgruppe 1<br />

Industrien immer mehr und größere Segmente der Produktion, die aus der Sicht <strong>des</strong> Industrielan<strong>des</strong> einfache<br />

Arbeit intensiv nutzen und sich <strong>des</strong>halb für eine Verlagerung anbieten. Die früher übliche Vorstellung, dass es<br />

irgendwann praktisch keine arbeitsintensiven Produktionen mehr gibt, die man verlagern könnte, wird<br />

zunehmend hinterfragt. Zum anderen steht eine völlig neue Dimension der Integration bevor – mit sehr großen<br />

Entwicklungsländern (Brasilien, China, Indien, Indonesien und andere), die gerade erst mit voller Dynamik<br />

ansetzen, in die weltwirtschaftliche Arbeitsteilung hineinzuwachsen. Es ist sehr fraglich, ob dann<br />

ökonometrische Erkenntnisse zur Globalisierung, die vor allem aus den 1980er und 1990er Jahren stammen,<br />

noch sehr aussagekräftig für die Zukunft sind.<br />

Tatsächlich ist die Unsicherheit über die künftige Entwicklung groß, und zwar nicht nur mit Blick auf die<br />

theoretische Erklärung <strong>des</strong> „skill bias“, sondern auch, was überhaupt <strong>des</strong>sen Fortdauer betrifft. So ist im Bereich<br />

<strong>des</strong> internationalen Handels ohne Weiteres vorstellbar, dass der Konkurrenzdruck der Entwicklungs- und<br />

Schwellenländer sich ausweitet und zunehmend auch bestimmte Formen der qualifizierten Arbeit in<br />

Industrieländern betrifft. Dies gilt vor allem für jene Arbeitsbereiche, die inhaltlich relativ leicht digitalisierbar<br />

sind und damit offshore von (niedrig bezahlten, aber gut qualifizierten) Beschäftigten bearbeitet werden können.<br />

Erste Beispiele dafür hat Indien mit den Softwarezentren in Bangalore geliefert. Auch bei der technischen<br />

Entwicklung bleiben viele Fragezeichen, was die künftige Wirkung auf den Arbeitsmarkt betrifft. Auch dort sind<br />

zum Beispiel die Folgen der Digitalisierung keineswegs leicht vorhersehbar. So mögen neue Entwicklungen in<br />

der Informations- und Kommunikationstechnik für bestimmte berufliche Qualifikationen eine weit größere<br />

Bedrohung darstellen als für eine körperliche Tätigkeit im Dienstleistungsbereich, die an formaler Ausbildung<br />

weit weniger Anspruchsvolles erfordert. Man könnte sich etwa vorstellen, dass neue Techniken der<br />

Dokumentation genau jene Berufsgruppen besonders hart treffen, die qualifizierte, aber durch Routinevorgänge<br />

geprägte Arbeit leisten – von der Archivarin oder vom Archivar bis zur Buchhalterin oder zum Buchhalter.<br />

Dagegen könnte sich einfaches Hilfspersonal etwa in der Altenpflege als zunehmend knapp und durch Technik<br />

nicht ersetzbar erweisen. Es wäre <strong>des</strong>halb überaus leichtfertig, die Erfahrungen vergangener Jahrzehnte einfach<br />

fortzuschreiben.<br />

Hinzu kommt eine weitere Frage, die schwierig zu beantworten ist: Wie wird sich das Arbeitsangebot<br />

entwickeln? Und vor allem: Wird es in der Zukunft möglich sein, durch politische und wirtschaftliche<br />

Weichenstellungen (zum Beispiel eine „Bildungsoffensive“) die Qualifikationsniveaus- und Profile der<br />

Arbeitskräfte in den OECD-Ländern besser den Erfordernissen anzupassen, als dies bisher offenbar der Fall war?<br />

Zwei zentrale Argumente sprechen dafür, dass es dafür reale Chancen gibt: Zum einen hat das politische<br />

Bewusstsein für die enorme soziale Bedeutung der Fragestellung in den letzten Jahren stark zugenommen, nicht<br />

zuletzt auch wegen der bitteren Erfahrungen aus der Vergangenheit. Zum anderen könnte es in den OECD-<br />

Ländern – und vor allem in den wirtschaftlich stabilen Nationen mit hochinnovativer Industrie (so wie<br />

Deutschland) – aufgrund der demografischen Entwicklung zu einer derart dramatischen Knappheit an<br />

qualifizierten Arbeitskräften kommen, dass der wirtschaftliche Anreiz für Unternehmen zunimmt, auch<br />

minderqualifizierte Arbeitskräfte durch eine betriebliche Ausbildung auf technisch anspruchsvolle Tätigkeiten<br />

und verantwortungsvolle Aufgaben vorzubereiten (und zwar auch ohne staatliche Subventionierung!). 165 Genau<br />

diesen Anreiz hat es in den Zeiten der breiten Massenarbeitslosigkeit seit Mitte der 1970er in Deutschland und<br />

anderen Ländern nicht gegeben. Erste Ansätze zu einer Veränderung <strong>des</strong>sen, was man „Ausbildungsklima“<br />

nennen könnte, sind bereits heute zu beobachten.<br />

4 Finanz- und gesellschaftspolitische Herausforderungen<br />

4.1 Demografischer Wandel, Bildung und Innovationen<br />

Wirtschaftswachstum in hoch entwickelten Industrienationen wie Deutschland ist, wie in der Einleitung <strong>des</strong><br />

Berichts ausgeführt, vor allem das Ergebnis von Innovationskraft. Eine Wirtschaft, in der immer neues<br />

marktfähiges Wissen entsteht, kann durch neue Produkte und Prozesse immer neue „Pionierrenten“<br />

erwirtschaften und in Wertschöpfung und Einkommen umsetzen. Die alten Pionierrenten schmelzen zwar dahin,<br />

sobald Nachahmer und Nachzügler aufholen, aber es kommen eben neue hinzu, die den Vorsprung sichern. Dies<br />

kann allerdings nur gelingen, wenn die Volkswirtschaft unverändert leistungsfähig und innovationskräftig bleibt.<br />

Diese Leistungsfähigkeit hängt letztlich von den Menschen ab. Zahl, Fleiß, Können, Motivation und Originalität<br />

der Arbeitskräfte entscheiden darüber, wie viel an Ideen und Innovationen eine Gesellschaft zustande bringt und<br />

165<br />

Dazu im Einzelnen Paqué, Karl-Heinz (2012). Vollbeschäftigt: Kapitel 3.<br />

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