Deutscher Bundestag Entwurf des Gesamtberichts
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Enquete Gesamtbericht Stand 8.4.2013: Teil B: Projektgruppe 1<br />
Dienstleistungsbereichen wurden Vollzeit- in Teilzeitstellen umgewandelt. Viele der Teilzeitstellen sind<br />
Minijobs. Inzwischen ist je<strong>des</strong> vierte Beschäftigungsverhältnis ein geringfügiges. 395<br />
4. Der Anstieg der sozialversicherungspflichtigen Vollzeitbeschäftigung ist auch mit einer Ausweitung <strong>des</strong><br />
Niedriglohnsektors verbunden. Dies gilt insbesondere für die zunehmende Leiharbeit, die zu gut zwei<br />
Dritteln zu Niedriglohnbedingungen verrichtet wird, aber auch für die sich ausweitenden befristeten<br />
Beschäftigungsverhältnisse. Auf diese Weise fanden zwar mehr Menschen trotz sinkendem<br />
Arbeitsvolumen einen Job, allerdings oft nicht existenzsichernd, sodass viele sogar bei Vollzeit auf<br />
ergänzende Hilfe-zum-Lebensunterhalt-Zahlungen (HLU) angewiesen sind. Hiervon sind in<br />
besonderem Maße Frauen und Personen mit Migrationshintergrund betroffen.<br />
5. Im Zuge der Änderungen der Sozialgesetzgebung unter der „Agenda 2010“ wurden die<br />
Rahmenbedingungen für bestimmte Arbeitsplätze geändert: Unter anderem wurde die geringfügige<br />
Beschäftigung (Mini- und Midijobs) ausgeweitet, 396 die Leiharbeit (Arbeitnehmerüberlassung) wurde<br />
unter anderem durch Wegfall der zeitlichen Befristung wie <strong>des</strong> Wiedereinstellungsverbotes erleichtert,<br />
die Bezugsdauer <strong>des</strong> Arbeitslosengel<strong>des</strong> für unter 55-Jährige auf zwölf Monate beschränkt und<br />
gleichzeitig die Zumutbarkeit für die Annahme von Arbeitsplätzen unabhängig von der Qualifikation<br />
der Arbeitssuchenden verschärft. Zudem erhielten beschäftigungsfähige Arbeitssuchende, die bisher<br />
Sozialhilfe erhalten hatten, Zugang zu den Förderungsmaßnahmen der Agentur für Arbeit.<br />
6. Die offiziell ausgewiesene Zahl der registrierten Arbeitslosen ist keine nur durch die Entwicklung der<br />
Erwerbslosigkeit bestimmte Zahl. In der Vergangenheit hat der Gesetzgeber wiederholt die Kriterien<br />
geändert. Im Ergebnis sank dadurch die Zahl der offiziell als arbeitslos registrierten Personen. Zwar<br />
weist die Bun<strong>des</strong>agentur für Arbeit auch die erweiterte Kategorie der „Unterbeschäftigung“ aus, 397<br />
allerdings kommt sie in der öffentlichen wie politischen Debatte über den Arbeitsmarkt praktisch nicht<br />
vor. Die Kategorie der „Unterbeschäftigung“ erfasst etwa auch diejenigen Arbeitslosen, die über<br />
private Vermittler in Beschäftigung gebracht werden sollen, die in beruflicher Weiterbildung,<br />
Arbeitsgelegenheiten, Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen sind, sowie Personen, die krank oder älter als<br />
58 Jahre sind und Arbeitslosengeld beziehen. Demnach waren im Oktober 2012 immer noch 3,6<br />
Millionen Menschen ohne reguläre Beschäftigung, also rund 840.000 mehr als offiziell als arbeitslos<br />
registriert waren (2,8 Millionen). Des Weiteren ist von einer hohen Erwerbsorientierung von Frauen<br />
auszugehen, die sich jedoch aus unterschiedlichsten Gründen nicht erwerbslos melden, also verdeckt<br />
arbeitslos sind. 398<br />
In der Konsequenz stieg die Zahl der Erwerbstätigen von 38,7 Millionen im Jahr 1991 auf 41,1 Millionen im<br />
Jahr 2011 an. Diesem Plus von 6,2 Prozent steht allerdings ein Minus von 3,4 Prozent beim Arbeitsvolumen im<br />
gleichen Zeitraum gegenüber (von 60,1 auf 58,1 Milliarden Stunden). De facto teilen sich also mehr<br />
Erwerbstätige ein geringeres gesamtwirtschaftliches Arbeitsvolumen. Parallel dazu sanken nach Angaben von<br />
Eurostat die Reallöhne pro Kopf in Deutschland zwischen 2000 und 2011 um 2,1 Prozent. 399<br />
3.5.3. Rückgang der Vollzeitbeschäftigung und sinkende Löhne – der falsche Weg zu<br />
steigender Beschäftigung bei niedrigen Wachstumsraten<br />
Jenseits der rein quantitativen Veränderung der Beschäftigung zeigt eine qualitative Analyse, dass sich die<br />
Struktur der Beschäftigung deutlich verändert hat (vgl. Abbildung 36). Die Zahl der ausschließlich geringfügig<br />
Beschäftigten, einschließlich der Personen, die in Arbeitsgelegenheiten (sogenannte Ein-Euro-Jobs) beschäftigt<br />
waren, stieg (vor allem im Dienstleistungssektor) von 4,9 Millionen im Jahr 2000 auf 5,8 Millionen im Jahr<br />
395<br />
Vgl. Brenke, Karl. (2011). Anhaltender Strukturwandel zur Teilzeitbeschäftigung. DIW-Wochenbericht 42 3-<br />
12: 9; Wanger (2011). Ungenutzte Potenziale in der Teilzeit. Viele Frauen würden gerne länger arbeiten. IAB-<br />
Kurzbericht Nr. 9/2011: 5. Könnten allein die Verlängerungswünsche von teilzeitbeschäftigten Frauen erfüllt<br />
werden, ergäbe sich hochgerechnet ein zusätzliches Arbeitsvolumen von 40,5 Millionen Stunden wöchentlich,<br />
umgerechnet in Vollzeitäquivalente von etwa einer Million Vollzeitarbeitsplätzen. Vgl. Wanger (2011): 6.<br />
396<br />
Durch Heraufsetzung der Geringfügigkeitsgrenze von 325 Euro auf 400 Euro und der Einführung einer<br />
Gleitzone für die Sozialversicherungsbeiträge im Bereich von 400 bis 800 Euro.<br />
397<br />
Vgl. zur Methodik Bun<strong>des</strong>agentur für Arbeit (2011). Arbeitsmarktberichterstattung. Frauen und Männer am<br />
Arbeitsmarkt im Jahr 2010. Nürnberg.<br />
398<br />
Vgl. Allmendinger, Jutta (2011). Wachstumsorientierung und Geschlechterverhältnisse; Bun<strong>des</strong>agentur für<br />
Arbeit Bun<strong>des</strong>agentur für Arbeit (2011). Arbeitsmarktberichterstattung. Frauen und Männer am Arbeitsmarkt im<br />
Jahr 2010. Nürnberg.<br />
399<br />
Vgl. Europäische Kommission (2012). Annual Macro-economic Database.<br />
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