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Deutscher Bundestag Entwurf des Gesamtberichts

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Enquete Gesamtbericht Stand 8.4.2013: Teil C: Projektgruppe 2<br />

3. Öffentlich bereitgestellte Güter und Dienstleistungen werden ungenau erfasst<br />

Der Staat stellt sowohl öffentliche Güter, wie Lan<strong>des</strong>verteidigung oder innere Sicherheit, als auch private Güter,<br />

wie individuelle medizinische Versorgung, bereit. Die Messung dieser Güter und Dienstleistungen erfolgt bisher<br />

anhand ihrer Kosten, nicht anhand der tatsächlich erbrachten Dienstleistungen. Im Gesundheitswesen werden<br />

beispielsweise die Kosten für Ärztinnen und Ärzte, nicht jedoch erfolgte Behandlungen oder gar<br />

Behandlungserfolge gemessen. Es wird angenommen, dass sich der Output parallel zum Input verändert. Steigt<br />

jedoch die Produktivität <strong>des</strong> Staates, steigt der Output im Verhältnis zum Input stärker als bisher angenommen<br />

wird. In diesem Fall fällt das BIP zu niedrig aus. 579<br />

4. Haushaltsproduktion, ehrenamtliches Engagement und der Wert der Freizeit werden unvollständig<br />

berücksichtigt.<br />

Wertschöpfende Tätigkeiten wie Hausarbeit, Kinderbetreuung oder Pflege von Angehörigen führen zu einer<br />

Zunahme <strong>des</strong> BIP, sofern sie von (legal) bezahlten Dienstleistern erbracht werden – nicht jedoch, wenn sie selbst<br />

durchgeführt werden oder einfach die Nachbarin oder der Nachbar unentgeltlich hilft. Der materielle<br />

Lebensstandard in den beiden alternativen Szenarien ist jedoch praktisch identisch. 580 Ehrenamtliches<br />

Engagement und der Wert der Freizeit fließen überhaupt nicht ins BIP ein. Bei ersterem wird der<br />

gesellschaftliche Nutzen in vielen Fällen so groß sein, dass die Leistung ohne ehrenamtlich Tätige vom Staat<br />

„gekauft“ werden müsste und damit BIP-wirksam wäre. Die Nicht-Berücksichtigung <strong>des</strong> ehrenamtlichen<br />

Engagements führt folglich zu einer Unterschätzung <strong>des</strong> BIP. Freizeit hingegen hat einen individuellen Wert, der<br />

individuellen Wohlstand beeinflusst. Deshalb relativiert sich ein Zuwachs <strong>des</strong> BIP, wenn er auf Kosten der<br />

verfügbaren freien Zeit erzielt wurde. 581 In diesem Fall wird das BIP überschätzt. Auch die Schattenwirtschaft ist<br />

nur schwer zu erfassen. 582<br />

5. Wohlstand mindernde Schäden wirtschaftlicher Aktivitäten werden unangemessen eingerechnet.<br />

Umweltverschmutzung, Wirtschaftskriminalität oder vermehrte psychische Erkrankungen werden nicht senkend<br />

oder sogar wirtschaftskraftsteigernd im BIP berücksichtigt. Die Förderung und der Verbrauch von Kohle<br />

erhöhen das BIP beispielsweise. Dabei werden weder die resultierenden Umwelt- und Gesundheitsschäden noch<br />

die Tatsache, dass es sich um eine nicht regenerierbare Energiequelle handelt, berücksichtigt. 583<br />

6. Nicht-materieller Wohlstand wird nicht berücksichtigt.<br />

Nicht-materieller Wohlstand wie Gesundheit, soziale Integration, hohe Umweltqualität, geringe Lärmbelästigung<br />

sowie musische, sportliche und intellektuelle Leistungen werden nicht berücksichtigt, obwohl sie sich auf den<br />

individuellen Wohlstand sehr wohl auswirken. 584<br />

7. Das BIP spiegelt die Verteilung <strong>des</strong> Wohlstan<strong>des</strong> nicht wider.<br />

Das BIP berücksichtigt die Verteilung der Einkommen und Vermögen nicht. Basiert eine Steigerung <strong>des</strong> BIP auf<br />

einem Einkommenszuwachs nur weniger ohnehin wohlhabender Menschen, kann die wirtschaftliche Situation<br />

großer Bevölkerungsteile stagnieren oder sich sogar verschlechtern. 585<br />

Diese wichtigsten Kritikpunkte am BIP sollen keineswegs das BIP als historisch und international gut<br />

vergleichbaren Indikator wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit eines Lan<strong>des</strong> grundsätzlich infrage stellen. Das BIP<br />

korreliert häufig mit Indikatoren gesellschaftlichen Wohlstands wie etwa der Lebenserwartung oder der<br />

Akademikerquote. Auch wird es oftmals als Referenz für potenziell wohlstandssteigernde Staatsausgaben<br />

herangezogen, etwa bei der Investitionsquote, den Bildungsausgaben oder der Entwicklungshilfe. Die<br />

Kritikpunkte zeigen jedoch anschaulich, dass das BIP ergänzt oder erweitert werden muss, damit ein<br />

umfassen<strong>des</strong> Bild gesellschaftlichen Wohlstands entstehen kann.<br />

579<br />

Vgl. Stiglitz; Sen; Fitoussi (2009): 97 ff.; vgl. SVR/CAE (2010): 35, 43, Kasten 2.<br />

580<br />

Vgl. Stiglitz Sen; Fitoussi (2009): Empfehlung 5:14; vgl. SVR/CAE (2010): 35; Schulte; Butzmann (2010):<br />

10.<br />

581<br />

Vgl. Stiglitz Sen; Fitoussi (2009): Empfehlung 5:14; vgl. SVR/CAE (2010): 37 f.<br />

582<br />

Vgl. SVR/CAE (2010): 35 f.<br />

583<br />

Vgl. Schulte; Butzmann (2010): 12.; vgl. SVR/CAE (2010): 36.<br />

584<br />

Vgl. Schulte; Butzmann (2010): 13; vgl. SVR/CAE (2010): 64 ff.<br />

585<br />

Vgl. Schulte; Butzmann (2010): 10; vgl. SVR/CAE (2010): 38 f.<br />

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