Grünen Kapitalismus - Rosa-Luxemburg-Stiftung
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dazu beitragen, dass die Dynamik der Produktion von Agrotreibstoffen<br />
nicht dauerhaft nachlassen wird.<br />
Ein weiterer oft zitierter Grund für die Nahrungsmittelkrise ist der Klimawandel,<br />
der wiederum zwei für die Landwirtschaft zentrale Variablen<br />
auf nicht-lineare Art und Weise beeinflusst: Niederschläge und Temperaturen.<br />
Unter den vielen Auswirkungen dieser Veränderungen finden<br />
sich Versteppung von Ackerland, Verschiebungen in Jahres- und mithin<br />
Saat- und Erntezeiten oder extreme Wetterereignisse. Angesichts der<br />
ungebrochenen Dynamik der Treibhausgasemissionen können wir davon<br />
ausgehen, dass diese Trends sich in Zukunft verstärken werden. Ein<br />
dritter Grund ist die sich verändernde Struktur globaler Nachfrage: Die<br />
unnachhaltigen Essgewohnheiten des globalen Nordens werden mehr<br />
und mehr von den sogenannten neuen Mittelklassen in Ländern wie<br />
China, Indien oder Brasilien kopiert (Asia Times online 22. 5. 2008). 152<br />
Angesichts der Tatsache, dass die Wirtschaftskrise vermutlich in einer<br />
Situation münden wird, in der die USA ihre Rolle als alleinige globale<br />
Hypermacht verlieren, und China und Indien an militärischer und ökonomischer<br />
Macht (also ganz konkret auch: Kaufkraft) gewinnen werden,<br />
ist es wahrscheinlich, dass dieser Trend ebenso andauern wird.<br />
Ein vierter Grund für die hohen Nahrungsmittelpreise war die »Spekulation«.<br />
In einer Situation, die durch Überakkumulation von Kapital<br />
gekennzeichnet ist (also einem Überfluss an Geldkapital), suchten Investoren<br />
in jedem vorhandenen Markt neue Investitionsmöglichkeiten,<br />
die sie auch in Derivaten, also »Wetten« auf zukünftige Preise von Waren,<br />
fanden, was wiederum zur Bildung von Blasen führte. Dies geschah<br />
nicht nur im Falle der berüchtigten »Subprime« Hypotheken, sondern<br />
auch im Öl- und Nahrungsmittelmarkt. Einerseits sollte diese Tendenz<br />
(zur Inflation von Nahrungsmittelpreisen durch Spekulation) nach unten<br />
zeigen, denn in der gegenwärtigen Krise werden, trotz aller Rettungspakete,<br />
Milliarden und Abermilliarden US-Dollar an Finanz- oder<br />
fiktivem Kapital zerstört. Aber: Geändert wurde an der Struktur der Finanzmärkte<br />
bisher nichts: Die Überakkumulation ist nicht substanziell<br />
152 www.atimes.com/atimes/South_Asia/JE22Df01.html. Wie der Artikel zeigt, ist dieses<br />
Argument ein durchaus problematisches: Einerseits steigt die absolute Zahl von<br />
KonsumentInnen in Ländern wie China und Indien, die sich einen »westlichen« Lebensstil<br />
leisten können. Andererseits schwingen auch immer imperialistische und<br />
malthusianische Töne mit, wenn der globale Norden mit Jahrzehnten unnachhaltiger<br />
Essensgewohnheiten im Rücken die postkoloniale Welt für nun entstehende Probleme<br />
verantwortlich macht.<br />
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