Grünen Kapitalismus - Rosa-Luxemburg-Stiftung
Grünen Kapitalismus - Rosa-Luxemburg-Stiftung
Grünen Kapitalismus - Rosa-Luxemburg-Stiftung
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Jede Situation, in der Löhne dauerhaft unterhalb der Kosten der gesellschaftlichen<br />
Reproduktion verharren, kann also dazu führen, dass<br />
gemeinschaftliche Ressourcen in der gesellschaftlichen Reproduktion<br />
wichtiger werden und somit das Potenzial entwickeln könnten, zur<br />
materiellen Basis einer aktiven Verweigerung der Disziplin des Kapitals<br />
durch ArbeiterInnen zu werden. Kurz gesagt: Je weniger wichtig der<br />
Lohn im Vergleich zu anderen Ressourcen, desto weniger vernünftig ist<br />
es, sich in das Joch der Lohnarbeit zu zwängen. Andererseits ist es aber<br />
auch möglich, dass Kapitale diese gemeinschaftlichen Ressourcen zu ihrem<br />
eigenen Vorteil einsetzen, um dadurch den Wert der Arbeitskraft zu<br />
senken, was wiederum die Kosten der Reproduktion auf andere Akteure<br />
und Netzwerke abwälzt, worunter die meisten ArbeiterInnen zu leiden<br />
hätten. Die Tatsache, dass die gesellschaftliche Reproduktion immer weniger<br />
durch Löhne gesichert werden kann, ist aus einer antikapitalistischen<br />
Perspektive ein zweischneidiges Schwert.<br />
Auf kurze Sicht aber werden steigende Reproduktionskosten bei stabilen<br />
oder sinkenden Reallöhnen zu gesellschaftlicher Unzufriedenheit<br />
oder sogar zu den oft diskutierten »Unruhen« führen. Nahrungsmittel-<br />
und Energiepreise sind hier ein zentraler politischer Dreh- und Angelpunkt:<br />
Drastische Erhöhungen der Preise von Grundnahrungsmitteln<br />
(Brot, Mais, Reis, etc.) sind traditionelle Auslöser von Krawallen und<br />
Aufständen, von den frühmodernen europäischen sognannten Brotaufständen<br />
(Thompson 1971; Rudé 1964), bis hin zu den jüngeren Hungeraufständen<br />
in Haiti, Ägypten und andernorts. Auch eine drastische Verteuerung<br />
wichtiger Brennstoffe kann öffentliche Unzufriedenheit und<br />
Unruhen schüren: Man denke an die ausgedehnten Benzinproteste im<br />
Jahre 2000 in Großbritannien, welche nach einer Benzinpreiserhöhung<br />
das halbe Land lahmlegten und die Regierung nachhaltig unter Druck<br />
setzten – und zum Schluss Erfolg hatten. 2008 gab es Benzinproteste<br />
in Großbritannien, Island, Frankreich, Spanien, Südkorea, Hong Kong,<br />
China, Indonesien und vielen anderen Ländern. 155 Wenn also nicht durch<br />
abfedernde Maßnahmen kompensiert, führen steigende Benzin- und<br />
Grundnahrungsmittelpreise häufig zu sozialen Unruhen, insbesondere<br />
wenn sie im Zusammenhang mit krisenbedingten Kündigungen und<br />
niedrigeren Löhnen auftreten.<br />
155 www.guardian.co.uk/news/blog/2008/jun/10/fuelprotestsspreadacrossth<br />
176<br />
ALLES WIRD TEUER