Grünen Kapitalismus - Rosa-Luxemburg-Stiftung
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Dieses Zitat stammt aus einem Bericht, der nach einem Seminar der<br />
Bundesakademie für Sicherheit (2008, 10) zum Thema Energiesicherheit<br />
geschrieben wurde. Er besagt: Angesichts der wahrscheinlich eintretenden<br />
Situation zunehmender Knappheit fundamental wichtiger<br />
Versorgungsgüter muss der entstehenden sozialen Unruhe irgendwie<br />
begegnet werden. Anders ausgedrückt: Die weiter aufklaffende »Reproduktionslücke«<br />
könnte zu einem autoritäreren Staat führen, da immer<br />
mehr Menschen (Arme, ArbeiterInnen, MigrantInnen...) vom Konsum<br />
dieser nun knappen bzw. verknappten Waren ausgeschlossen werden<br />
müssen – sicherlich nicht ohne deren Widerstand hervorzurufen (Stichwort<br />
Brot- und Benzinkrawalle).<br />
Ein Beispiel für diese Entwicklung ist das, was oft als »Versicherheitlichung<br />
des Klimawandels« beschrieben wird. In einem Bericht der EU, Klimawandel<br />
und internationale Sicherheit, wird der Klimawandel als »Bedrohungsmaximierer«<br />
beschrieben, »der zahlreiche, auch ohne ihn vorhandene<br />
Konflikte verschärfe und damit die Wahrscheinlichkeit, dass diese<br />
zu gewaltsamen Auseinandersetzungen führen, erhöhe«. Vor einer »politischen<br />
Radikalisierung« warnend, strebt die EU deshalb den »Ausbau der<br />
erforderlichen Kontrollkapazitäten an, um damit jeden Versuch, soziale<br />
Veränderungen und Ausgleich herzustellen, im Keim zu ersticken« (Wagner<br />
2008, 14 f). Aber nicht nur der Ausbau der »Festung Europa« kann<br />
und wird mit dem Klimawandel legitimiert werden: Da die zu erwartenden<br />
Konflikte auf allen Ebenen auftreten werden (zwischen Ländern, innerhalb<br />
von Ländern, und transversal, also über Ländergrenzen hinweg),<br />
gilt das hier entwickelte Argument ebenso auf allen Ebenen, bis hinunter<br />
auf die des alltäglichen Lebens. Sollte das individuelle, handelbare »Kohlenstoffkonto«<br />
mit eigener Chipkarte tatsächlich realisiert werden (noch<br />
ist das keine realistische Perspektive, aber die kreativeren unter den europäischen<br />
Regierungen, z. B. die britische, denken schon darüber nach –<br />
Guardian 11. 12. 2006), würde dies Staaten noch mehr Möglichkeiten eröffnen,<br />
das Alltagsleben der Menschen zu kontrollieren: Registriert würde<br />
jeder kohlenstoffrelevante Einkauf, jedes Flugticket, einschließlich der<br />
geflogenen Distanz, etc. Angesichts der gegenwärtigen Diskussion zum<br />
Thema Überwachungsstaat keine angenehme Perspektive.<br />
Aber warum so kritisch? Sicher, der Staat »muss« soziale Stabilität garantieren<br />
und deswegen Proteste angesichts knapper Güter kontrollieren. Aber<br />
könnte der grün-kapitalistische Staat nicht auch ein »sozialer« sein? Angesichts<br />
der oben schon dargestellten relativen Schwäche der organisier-<br />
178<br />
»VERSICHERUNG«<br />
DES KLIMAS