Grünen Kapitalismus - Rosa-Luxemburg-Stiftung
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WIE GEHT WIRTSCHAFT<br />
OHNE WACHSTUM?<br />
leitet sich für diese Position die dringende Notwendigkeit einer schnellen<br />
und radikalen Abkehr vom Wachstumszwang kapitalistischen Wirtschaftens<br />
ab (vgl. auch Exner/Lauk/Kulterer 2008; Kovel 2007).<br />
Wenn das oben entwickelte Argument zutrifft, dass in den letzten 20<br />
Jahren ökologisch-signifikante Emissionsreduktionen ausschließlich in<br />
Situationen eintraten, die durch drastische Rückgänge des Wirtschaftswachstums<br />
gekennzeichnet waren, dann diktiert die Logik des Zeitdrucks<br />
eben nicht, ein Projekt zu unterstützen, das verspricht, kapitalistisches<br />
Wachstum wieder anzustoßen, wie es (fast) jede Version des<br />
GND tut (vgl. Schachtschneider 2009). Wenn wir schon wissen, wie wir<br />
Emissionen reduzieren können – nämlich durch Reduktionen des Wirtschaftswachstums<br />
–, warum sollten wir dann weiterhin mit allerlei unbewiesenen<br />
Lösungsansätzen experimentieren (über Agrotreibstoffe und<br />
Kohlenstoffmärkte bis hin zu Klimaablassbriefen oder Kohlenstoffsequestrierung<br />
160 )? Für diese Position stellt sich vielmehr die Frage, wie<br />
eine Wirtschaft ohne Wirtschaftswachstum aussehen kann und wie sie<br />
gerecht und solidarisch gestaltet werden kann. Und da es ohne Wachstum<br />
mittelfristig keinen <strong>Kapitalismus</strong> geben kann, bedeutet das notwendigerweise,<br />
über eine postkapitalistische Wirtschaftsordnung nachzudenken.<br />
Nicht als Verbalradikalismus, nicht als »Fundi«-Position – sondern aus<br />
der pragmatischen Einsicht in die Tatsache, dass Klimakrise und Wirtschaftswachstum<br />
seit Jahrzehnten eng miteinander zusammenhängen<br />
und die vielfach proklamierte »Entkopplung von Wachstum und Umweltverschmutzung«<br />
einfach nicht vorankommt. Anders gesagt: In dieser<br />
Frage sind die »Träumer« und »Idealisten« nicht diejenigen, die antikapitalistische<br />
Positionen vertreten, sondern diejenigen, die – gegen<br />
alle Erfahrung – glauben, dass es eine ökologische Wende innerhalb des<br />
kapitalistischen Wachstumszwanges geben kann. Diese Geschichte wird<br />
seit über 30 Jahren, seit der Publikation des Berichts Grenzen des Wachstums<br />
durch den Club of Rome (Meadows u. a. 1972) immer wieder erzählt,<br />
und doch zeigen alle ökologischen Indikatoren an, dass – die Vereinfachung<br />
ist leider nicht verfälschend – sich trotz Umweltpolitiken<br />
seitdem beinahe alles immer weiter verschlechtert hat. Nach Albert Ein-<br />
160 Vgl. kritisch zu diesen »falschen Lösungen« Altvater/Brunnengräber (2008), Lohmann<br />
(2006), Fauset (2008).<br />
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