Grünen Kapitalismus - Rosa-Luxemburg-Stiftung
Grünen Kapitalismus - Rosa-Luxemburg-Stiftung
Grünen Kapitalismus - Rosa-Luxemburg-Stiftung
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
KRISEN HERRSCHAFTS-<br />
FÖRMIG BEARBEITET<br />
Arbeit (Marx, MEW 23). Diese Antriebskräfte funktionieren einerseits<br />
auf der Ebene individueller Akteure: Unternehmen werden durch die<br />
Konkurrenz auf Weltmärkten zur Innovation gezwungen, ebenso wie<br />
die permanente Existenz von Klassenkämpfen innerhalb der Produktion<br />
zur Effizienzsteigerung, zur Produktion von relativem Mehrwert führt. 19<br />
Sie funktionieren aber auch auf einer allgemeinen, systemischen Ebene,<br />
und auf diese Ebene wollen wir uns hier konzentrieren. Als Beispiel<br />
soll zunächst die Entstehung des fordistisch-keynesianischen Wohlfahrtsstaats<br />
oder »New Deal« dienen, von welcher die Autoren des italienischen<br />
Operaismo 20 eine faszinierende Analyse entwickelten. Diese<br />
nachzuvollziehen ist u. a. deshalb interessant, weil die Parallelen zur<br />
heutigen Situation bestechend sind.<br />
Die roaring twenties in den USA waren eine Zeit, deren Konturen wir<br />
heute gut wiedererkennen können: hohe Unternehmensgewinne, ein<br />
hoher Grad der Finanzialisierung, eine deutliche Ausweitung der Produktion<br />
als Resultat von Effizienz- und Produktivitätssteigerungen. Da<br />
aber gleichzeitig die Löhne aufgrund eines »Überangebots« an Arbeitskraft<br />
(und trotz eines steigenden Organisationsgrades der Arbeiter) stagnierten,<br />
kam es Ende der 1920er Jahre zu einer Überproduktions-/Unterkonsumtionskrise,<br />
da, damals wie heute, nicht genügend Massenkaufkraft<br />
im System vorhanden war (Rupert 1995, 79 ff.; Negri 1988;<br />
Aglietta 1979).<br />
Es waren also nicht die Kämpfe der Arbeiterklasse, welche die Krise verursachten<br />
– aber in ihnen lag die Möglichkeit, die Krise zeitweise zu lösen<br />
oder zumindest zu vertagen: Keynes zentrale Einsicht bestand, so<br />
Negri, in seiner Erkenntnis, dass das, was im Nachkriegskapitalismus<br />
gefehlt hatte, die »effektive Nachfrage« war. Diese wiederum könnte am<br />
besten hergestellt werden, wenn Löhne im gemeinsamen Einverneh-<br />
19 Klassisches Beispiel hierfür ist die Einführung des Fließbandes bei Ford. Der hohe<br />
Grad von Kontrolle, den die fast gildenartig operierenden Handwerker-Verbände über<br />
die Autoproduktion hatte, motivierte Ford dazu, Wege zu finden, diese Kontrolle zu<br />
brechen: Am Fließband konnten auch ungelernte Kräfte arbeiten (vgl. Gramsci, Gef. 9,<br />
Fordismus und Amerikanismus; Rupert 1995).<br />
20 Der Operaismo ist eine marxistische Denkschule und soziale Bewegung, die während<br />
der 1960er Jahre im industriellen Norden Italiens entstand. Im klaren Gegensatz zur<br />
Kommunistischen Partei Italiens, deren Politik auf die Übernahme der Staatsmacht<br />
ausgerichtet war, konzentrierte sich der Operaismo auf die Kämpfe der ArbeiterInnen<br />
gegen schlechte Arbeitsbedingungen und darüber hinaus gegen die Lohnarbeit im Allgemeinen.<br />
Diese Kämpfe werden als die zentrale welthistorische Kraft verstanden (vgl.<br />
Wright 2002).<br />
29