Grünen Kapitalismus - Rosa-Luxemburg-Stiftung
Grünen Kapitalismus - Rosa-Luxemburg-Stiftung
Grünen Kapitalismus - Rosa-Luxemburg-Stiftung
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
gen niedrig ist) oder Indien (dessen Bevölkerungswachstum gerne von<br />
nördlichen WohlstandschauvinistInnen als Grund für den galoppierenden<br />
Klimawandel erwähnt wird) der absolute Großteil des Emissionsanstieges<br />
auf das Wachstum der Wirtschaft und nicht der Bevölkerung zurückzuführen<br />
ist (Edenhofer 2008, 25 f).<br />
Schließlich bleibt noch das Problem, dass eine Wachstumskritik einen<br />
direkten Angriff auf die zentralen Ideen der europäischen Aufklärung<br />
darstellt, die wiederum extrem tief im westlichen »Alltagsverstand«<br />
(Gramsci, Gef.1, 137) wurzeln: jenes Dreieck aus Humanismus (der<br />
Mensch als sich immer weiter und höher entwickelndes, mithin wachsendes<br />
Wesen), <strong>Kapitalismus</strong> (nach den zyklischen Ökonomien des Mittelalters,<br />
in denen alles immer gleich blieb, verändert sich nunmehr alles<br />
– vgl. Wissen 2006, 213 ff.), und Naturbeherrschung (wir unterwerfen<br />
uns die Natur immer mehr, eignen uns immer mehr von ihr an.<br />
Deswegen reagieren viele Menschen unwirsch auf den Versuch, aus der<br />
auch für Nicht-Linke durchaus einsichtigen Analyse, das kapitalistische<br />
Wirtschaftswachstum sei das grundlegende Problem, Konsequenzen in<br />
Richtung einer »Schrumpfungsökonomie« zu ziehen. 172<br />
Bei einer Aufzählung der Hindernisse für eine konzeptionelle und praktische<br />
Wachstumskritik darf der Hinweis auf eine verbreitete strukturkonservative<br />
Haltungen in den Gewerkschaften nicht fehlen. Der zu Beginn<br />
der fordistisch-keynesianischen Ära eingegangene Kompromiss<br />
zwischen Kapitalisten und Gewerkschaften lief im Prinzip darauf hinaus,<br />
dass sich gegenseitig Wirtschaftswachstum und gesellschaftliche<br />
Stabilität versprochen und sich nur um die relative Größe der zu verteilenden<br />
Kuchenstücke gestritten wurde. Da die Gewerkschaften weder<br />
organisatorisch noch ideologisch in der Lage sind, diesen Kompromiss<br />
aufzukündigen, und »Ums Ganze« zu kämpfen, beschränkt sich ihr<br />
strukturelles Interesse häufig auf die Förderung weiteren Wirtschaftswachstums.<br />
Was der Konflikt zwischen Arthur Scargill und den KlimacamperInnen<br />
schon vorexerzierte, wird in der neuen sozialökologischen<br />
Linken sicherlich bald zur Regel werden.<br />
All diese Schwierigkeiten sollten uns aber nicht davon abhalten, einen<br />
Blick auf die verschiedenen bereits existierenden Konzepte einer Wirtschaft<br />
ohne Wachstum zu werfen – eingedenk der Tatsache, dass es sich<br />
172 Vgl. zum Beispiel Gar Lipows (2009) programmatische Zurückweisung dieser Perspektive.<br />
200<br />
STRUKTUR-<br />
KONSERVATISMUS