Für meine Eltern Lena & Rolf - Monkeydick-Productions
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3.4.2.5 Die widersprüchliche Mobilisierung<br />
„Vergeblich wäre jedenfalls der Versuch, die eine Seite gegen<br />
die andere auszuspielen. Er muss enden wie jener Hase im<br />
Märchen, der, so schnell er auch rennt, den Igel, der den<br />
Identitätszwang unterläuft und sich mit Hilfe seiner Frau<br />
verdoppelt, niemals einholt. Welchen point de résistance die<br />
Kritik am unternehmerischen Selbst auch bezieht, stets ruft<br />
dieses ihr entgegen: „ick bün all hier.“ 98<br />
99<br />
Ulrich Bröckling<br />
Gerade die wirtschaftlichen Bereiche der Informations- und<br />
Kommunikationstechnologien wie die Medien-, Werbe-, Designer- und<br />
Filmbranche produzieren ein Image, das der „Künstlerkritik“ der Boheme sehr<br />
ähnlich ist. Sie möchten für stetige Veränderung, größtmögliche Freiheit,<br />
jugendlichen Enthusiasmus, radikale Experimentierfreude, Ablehnung von<br />
Konventionen und für Hunger nach Neuem stehen. Sie proklamieren, jenseits<br />
der gängigen Normen zu denken und über den eigenen Tellerrand zu schauen.<br />
Der einzelne soll an seine Grenzen gehen. Der Schritt in die Ungewissheit<br />
vermeidet es, zum alten Eisen zu gehören. Das wird zumindest von<br />
Unternehmerseite gepredigt (vgl. Brooks 2002: 125). 99<br />
Anhand der Ratgeberliteratur lässt sich die Widersprüchlichkeit neoliberaler<br />
Anrufungen zeigen. Beispielsweise Sonja A. Buholzers „Erfolgsstrategien für<br />
Gewinnerinnen“ warten mit einer Mixtur aus Anfeuerung („Dranbleiben,<br />
durchhalten und – genießen!“), popkulturellen Anspielungen („The Power of<br />
Good bye“) und alternativen („Those who lose dreaming are lost.“ Australian<br />
Aboriginal proverb), rationalitätskritischen („Wenn es nur eine einzige Wahrheit<br />
gäbe, könnte man nicht hundert Bilder über dasselbe Thema malen.“ Pablo<br />
Picasso) Zitaten auf (vgl. Buholzer 2001).<br />
Wahrscheinlich unterscheiden sich die Künstlerkritik und die<br />
Motivationsformeln der Wirtschaftselite in ihrem Radikalismus. Das<br />
Schwärmen von Radikalität geschieht auf Unternehmerseite eher aus sicherer<br />
Distanz. Es ist weniger anzunehmen, dass ein ernsthaftes Interesse daran<br />
besteht, die soziale Ordnung radikal in Frage zu stellen. 100 Brooks zeichnet mit<br />
98<br />
Bröckling 2002: 192.<br />
99<br />
Den Zusammenhang, dass der Gegenentwurf zur Norm wird, problematisierte auch die<br />
Ausstellung „Tätig Sein“ (vgl. Goehler 2006: 225).<br />
100<br />
Brooks setzt sich mit dem Magazin „The Baffler“ auseinander, „[…] das die Sinnleere des<br />
hippen Kapitalismus entlarvt“. Der Herausgeber des Magazins, Thomas Frank, versucht den<br />
„hippen Kapitalismus“ zu enttarnen, indem er auf die „pseudo-revolutionären Veränderungen<br />
und das gesellschaftlich akzeptierte Rebellentum“ verweist. Frank sieht darin eine „neue<br />
Form konservativen Konformismus“ (Brooks 2002: 131).