Für meine Eltern Lena & Rolf - Monkeydick-Productions
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Frühliberalismus auseinander. 70 Die liberale Rationalität unterscheidet sich in<br />
zwei Tendenzen von der neoliberalen. Erstens kann davon gesprochen werden,<br />
dass im Neoliberalismus die Beziehung zwischen Staat und Wirtschaft völlig<br />
neu definiert wird. War es Ziel des Liberalismus, sich von einem<br />
absolutistischen Staat abzugrenzen, wird dieses Verhältnis von Staat und<br />
Wirtschaft im Neoliberalismus verkehrt. Nicht wie in der liberalen Rationalität<br />
konstituiert und kontrolliert der Staat die Freiheit des Marktes (vgl. Foucault<br />
2004a: 97f.), sondern der Markt wird selbst zum Organisations- und<br />
Regulationsprinzip des Staates. Ähnlich wie sich die Norm zur Normalisierung<br />
transformiert, tauscht die neoliberale Rationalität ein eingrenzendes und<br />
äußerliches durch ein regulatorisches und inneres Prinzip aus. 71 Die Form des<br />
Marktes stellt die Vorlage für Staat und Gesellschaft. Der Staat oder die<br />
Regierung besitzt zunehmend selbst unternehmerischen Charakter. Die<br />
Regierung universalisiert den Markt, was sich in der Bereitstellung von<br />
konkurrenziellen, marktförmigen Handlungsvorlagen für Individuen, Kollektive<br />
und Institutionen zeigt. Regierungshandeln begründet und begrenzt sich durch<br />
die Konstruktion eines rational-ökonomischen Kalküls (vgl. Foucault 2004a:<br />
168; Bröckling et al. 2000: 15):<br />
“For the Chicago economic liberals it is a question of extending a model of<br />
rational-economic conduct beyond the economy itself, of generalizing it as a<br />
principle for both limiting and rationalizing government activity. Government<br />
must work for the game of market competition and as kind of enterprise itself, and<br />
new quasi-entrepreneurial and market models of action or practical systems must<br />
be invented for the conduct of individuals, groups and institutions within those<br />
70 Foucault diskutiert den deutschen Nachkriegsliberalismus und den US-amerikanischen<br />
Liberalismus der Chicagoer Schule. Zwischen dem deutschen Ordoliberalismus und der<br />
Chicagoer Schule muss, was Gesellschaftskonzepte und politische Lösungsvorschläge betrifft,<br />
stark differenziert werden. Der Ordoliberalismus vertritt die „Soziale Marktwirtschaft“, in der<br />
der Markt durch politische Regulierungen und soziale Eingriffe eingezäunt wird. Die<br />
Chicagoer Schule versucht die Grenze zwischen Wirtschaft und Sozialem vollständig<br />
aufzulösen, indem Wirtschaftspraxen auf das Soziale ausgeweitet werden (vgl. Lemke 1997:<br />
239-256).<br />
71 Hier kommen auch Foucaults Gedanken zur Selbstüberwachung, die er aus Benthams<br />
Panoptikum entwickelt hat, zum Tragen. Wenn kein direkter Überwacher, keine expliziten<br />
Vorschriften und keine klaren Befehle mehr auszumachen sind, dann muss das korrekte<br />
Verhalten selbstständig entwickelt werden (vgl. Rastetter 1994: 76). Dieses System des<br />
„demokratisierten Panopticons“ wird durch das 360°-Feedback auf die Spitze getrieben.<br />
Durch einen Fragebogen wird die berufliche Leistung von Mitarbeitern gleichzeitig durch<br />
Kollegen, Vorgesetzte, Untergebene und einen selbst bewertet. Erweitert werden kann diese<br />
Bewertung noch durch Kunden, Lieferanten und externe Supervisoren (vgl. Bröckling 2007:<br />
236).<br />
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