Für meine Eltern Lena & Rolf - Monkeydick-Productions
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Schon Deleuze und Felix Guattari beginnen ihre „Abhandlung über<br />
Nomadologie: die Kriegsmaschine“ aus „Tausend Plateaus“ mit dem Gegensatz<br />
von Schachspiel und Gospiel. Das Bild des Schachspiels dient dem<br />
Strukturalismus als Metapher, in der die Beziehungen der institutionalisierten<br />
Formen zum Ausdruck kommen. Es besitzt eine gewisse Schwerfälligkeit, weil<br />
die Figuren eine feste Identität besitzen, die qua Spielregeln fast juristisch wird.<br />
Ihre Identität begrenzt die Bewegungen der Figuren, was an die Schwerfälligkeit<br />
eines Subjekts erinnert, das mit einer substanziellen Identität ausgestattet ist.<br />
Beim Go-Spiel hingegen stellen die Spielsteine inhaltsleere Einheiten dar. Durch<br />
einen Platz in einem vernetzten Ordnungsgefüge werden diese Einheiten gefüllt<br />
respektive erhalten Eigenschaften (Deleuze/Guattari 1997: 483). 14<br />
Der französische Philosoph Michel de Certeau hat das strukturell ähnliche<br />
Verhältnis von Individuum und Gesellschaft bei seiner Analyse<br />
gesellschaftlicher Machtverhältnisse mit den Begriffen „Strategie“ und „Taktik“<br />
zu fassen versucht. In dem gesellschaftlichen Spannungsfeld, in dem Herrschaft<br />
produziert, gerechtfertigt, verschoben und kontrolliert wird, fragt er nach den<br />
Spielräumen für individuelle Praxen, die ein „Netz der Antidisziplin“ (De<br />
Certeau 1988: 16) spinnen, das sich den machtvollen Strategien entzieht. Um zu<br />
verstehen, was eine „Taktik“ darstellt, rufen wir ihr Gegenteil die „Strategie“<br />
auf. Die Produktion einer eigenlogischen Realität mit Hilfe eines Macht-<br />
Wissens-Komplexes erfolgt strategisch. Strategische Handlungen benötigen<br />
einen Ort, eine mit Macht ausgestattete Institution. Von diesem „eigenen“ Ort,<br />
der als Basis zu verstehen ist, organisiert und sichert die Strategie<br />
gesellschaftliche Machtverhältnisse. Der Taktik hingegen ermangelt es an<br />
Eigenem. Sie hat nur das Terrain des Anderen und muss versuchen, in den<br />
existenten Strukturen „günstige Situationen“ aufzutun (de Certeau 1988: 91f.).<br />
De Certeau versteht die Taktik als Spiel mit den Kräften der Macht. Er spricht<br />
davon, dass viele der Alltagspraktiken „gelungene Streiche, schöne Kunstgriffe,<br />
Jagdlisten, vielfältige Simulationen, Funde, glückliche Einfälle“ sind (ebenda:<br />
24). 15<br />
14 In diesem Sinne ist auch der Text in der Imagebroschüre zu der Geschäftsführerin von<br />
„<strong>Monkeydick</strong>-<strong>Productions</strong>“ zu verstehen: „In <strong>meine</strong>r Rolle als CEO sehe ich mich nicht mehr<br />
als eine Art Schach-Großmeisterin, die machtvoll und einsam Mitarbeiter wie Spielfiguren<br />
auf einem Schachbrett hin- und herschiebt. Ich sehe mich eher als eine Leitfigur, die inspiriert<br />
und motiviert, und eventuell noch als Dirigentin“ (<strong>Monkeydick</strong>-<strong>Productions</strong> 2007).<br />
15 De Certeaus Blick auf die menschlichen Aktivitäten ist ähnlich den soziologischen Studien<br />
von Goffman und der ethnomethodologischen Arbeit von Garfinkel. Seine Unterscheidung<br />
zwischen Strategien und Taktiken lassen sich auch analog aufziehen: Die Strategien sind<br />
institutionalisierte Rahmungen, Skripte, Handlungsvorgaben, die als Verhaltensrichtlinien<br />
dienen, während die Taktiken spezielle Verhaltensweisen darstellen, die Individuen nach<br />
ihren momentanen Wünschen gestalten und deren Ausgang unbekannt ist. Obwohl de Certeau<br />
die Taktiken niemals direkt den Kulturstrategien gegenübergestellt hat, provoziert ihr<br />
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