Für meine Eltern Lena & Rolf - Monkeydick-Productions
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ist. Sie ist nicht nur die Bündelung normativer Regeln, sondern sie ist auch der<br />
Entwurf der Wissensformen, durch die die Subjekte ihre Wahrheit bilden. Sie<br />
definieren die Kontroll- und Regulationsmechanismen, denen sie unterworfen<br />
sind, sowie die Praktiken, deren Wirkung auf sie zurückgeworfen wird (vgl.<br />
ebenda 2002: 179):<br />
„Anders ausgedrückt, das unternehmerische Selbst bildet den Fluchtpunkt jener<br />
Kraftlinien, die – unter anderem – in institutionellen Arrangements und<br />
administrativen Regelungen, in Arbeits- und Versicherungsverträgen, in<br />
Trainingsprogrammen und Therapiekonzepten, in medialen Inszenierungen und<br />
alltäglichen Performanzen wirksam sind. Diese Linien stehen in komplexen<br />
Wechselbeziehungen zu anderen, und das, was gemeinhin ‚Subjekt‘ heißt und<br />
sowohl das Unterworfensein wie die relative Freiheit des Handelns einschließt, ist<br />
gleichermaßen Austragungsort wie Effekt dieser sich kreuzenden, einander<br />
verstärkenden, hemmenden oder umbiegenden Kräfte“ (ebenda). 91<br />
Die gegenwärtigen Verhaltenstipps der Ratgeberliteratur stellen quasi die<br />
praktische Entsprechung davon dar, was Foucault an dem theoretischen Werk<br />
der neoliberalen Chicagoer Schule herausarbeitete. Die Ratgeberliteratur zeigt,<br />
wie die Karriere erfolgreich zu planen, die Arbeit zu organisieren und der<br />
anfallende Stress zu bewältigen ist. Als zeitgenössische Heilslehre bieten sie ein<br />
vollständiges Programm zur Selbstverwirklichung. Sie geben praktische<br />
Anweisungen, wie das Selbst dem Entwurf anzugleichen ist. Das<br />
Auseinanderklaffen von Anspruch und Wirklichkeit stellt dabei das konstitutive<br />
91 Andrea D. Bührmann sieht einen Widerspruch darin, dass Bröckling den „Unternehmer<br />
seiner selbst“ als Fluchtpunkt von „Kraftlinien“ versteht, aber darunter das Zusammenspiel<br />
von diskursiven und nicht-diskursiven Praktiken begreift, das bei Foucault mit dem Begriff<br />
„Dispositiv“ bedacht wird. Bedeutsam für „Dispositiv“ ist die materielle Existenz ihrer<br />
subjektivierenden Effekte (vgl. Bührmann 2005). Den Vorwurf, dass sich ihr<br />
Forschungsprogramm in einem „linguistischen Idealismus“ verfange, weist Ulrich Bröckling<br />
zurück: „‘Diskursformationen‘ und ‚Machtformationen‘ lassen sich eben nicht zunächst fein<br />
säuberlich voneinander trennen, um dann im Rahmen einer ‚Dispositivanalyse‘ ihre<br />
Beziehungen zu untersuchen. Die Regierungspraktiken, um deren Analyse es bei der<br />
Anrufungsfigur des 'unternehmerischen Selbst' geht, sind selbst diskursiv verfasst: Ein<br />
Arbeitsvertrag z.B. ist ein Text, der die Machtbeziehungen zwischen den Vertragspartnern in<br />
höchst praktischer Weise strukturiert; Erfolgsratgeber sind Bücher, die – unter anderem –<br />
Introspektions-, Imaginations- und Zeitmanagementtechniken bereitstellen und auf diese<br />
Weise konkrete Anweisungen zur Verhaltensmodifikation liefern“ (Bröckling 2007: 39). In<br />
dieser Arbeit wird der Diskussion mit dem Begriff der Performativität begegnet, der die<br />
Gleichursprünglichkeit von Anrufung und materiellem Effekt zum Ausdruck bringt, womit<br />
weder von einem „linguistischen Idealismus“ noch von einer „substanz-ontologischen<br />
Auffassung von Subjektivierung“ gesprochen werden kann.<br />
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