Für meine Eltern Lena & Rolf - Monkeydick-Productions
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dass sie von einer Person aus der Spielergruppe zur nächsten gereicht wurden.<br />
Sie wurden von den Hostessen begrüßt. Die Hostessen wiederholten immer<br />
wieder: „Trotz flacher Hierarchien gebe ich einmal an einen Supervisor weiter.“<br />
Danach wurden die Teilnehmer durch bis zu drei Stationen gereicht. Ein<br />
Teilnehmer meinte: „Ich werde hier von einer Instanz in die nächste gereicht.<br />
Jetzt tragen sie schon Anzüge!“ Erst guckte das Publikum von außen auf die<br />
Gruppe und stand dem ambivalent gegenüber. Dann wurde es begrüßt. Dann<br />
musste es die verschiedenen Stationen der Supervisoren passieren, die in ihrer<br />
extremen Typisierung eine Mischung aus ‚böser Bulle‘, ‚guter Bulle‘,<br />
Moderator und Dozent darstellten.<br />
Das Weiterreichen der Teilnehmer aus dem Publikum war sowohl professionell<br />
als auch anmaßend. Das Publikum wurde dazu genötigt wahrzunehmen, dass es<br />
sich um eine Gruppe handelte, die mehr oder weniger eine Corporate Identity<br />
besaß. Das gleiche Outfit als Corporate Design bei allen Beteiligten erfüllte<br />
seine Wirkung. Auch der große rote – zunächst nicht eingeplante – Teppich, auf<br />
dem die Präsentation stattfand, und die Präsentation selbst bewirkten, dass das<br />
Publikum dachte, dass es sich bei „<strong>Monkeydick</strong>-<strong>Productions</strong>“ um ein<br />
professionelles Team handeln würde. Auch das Zeigen der firmeneigenen<br />
Visitenkarten hinterließ trotz seiner irritierenden, disidentifikatorischen<br />
Komponente Eindruck. Das Disidentifikatorische der Visitenkarten liegt in der<br />
Kombination aus Spitznamen, „multiplem Namen“ („<strong>Monkeydick</strong>“) und den<br />
merkwürdig anmutenden Ressorts (z.B. Organization und Ostentation).<br />
Normalerweise findet man auf Visitenkarten einen bürgerlichen Namen und ein<br />
ernstzunehmendes Ressort. 63<br />
Gleichzeitig ergaben die Unterschiede zwischen den Personen der Spielergruppe<br />
in der Kombination eine große Vielfalt. Obwohl am Flipchart das Konzept offen<br />
gelegt wurde, war dies nur ein weiterer Baustein auf dem Weg zur Ambivalenz.<br />
Selbst wenn man dem Publikum das ambivalente Konzept haarklein erläuterte,<br />
63 Muňos sieht in Adrian Pipers Visitenkarten-Performances, die sie selbst als „reaktive<br />
Guerillaperformances“ (a queer tour guide 2007: 52) bezeichnet, eine disidentifikatorische<br />
Praxis. Um als hellhäutige schwarze Frau problematischen Situationen begegnen zu können,<br />
verteilte sie ihre Calling Cards im Format von Telefon- oder Visitenkarten, auf denen in<br />
kritischer Differenz zu diesem Format steht: „Lieber Freund, Ich bin schwarz. Sicher haben<br />
Sie das nicht bemerkt, als Sie diese rassistische Bemerkung machten / mit einem Lachen<br />
quittierten / sich mit dieser rassistischen Bemerkung einverstanden erklärten. In der<br />
Vergangenheit habe ich versucht, weiße Menschen im Voraus auf <strong>meine</strong> Identität<br />
aufmerksam zu machen. Bedauerlicherweise veranlasst sie dies ausnahmslos, auf mich als<br />
penetrant, manipulativ oder sozial unverträglich zu reagieren. Daher ist <strong>meine</strong><br />
Vorgehensweise nun, davon auszugehen, dass weiße Menschen solche Bemerkungen gar<br />
nicht machen, selbst wenn sie sich unter ihresgleichen glauben, und wenn sie doch welche<br />
machen, diese Karte zu verteilen. Ich bedaure jegliches Unbehagen, das ich durch <strong>meine</strong><br />
Anwesenheit bei Ihnen auslöse, so wie ich sicher bin, dass Sie das Unbehagen bedauern, das<br />
Sie durch Ihren Rassismus bei mir auslösen“ (Piper zit. n. Muňos 2007: 36).<br />
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