RDT - Numéro spécial concernant la révision - VBK-CAT
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Auer, Bundeskompetenzen in vormundschaftlichen Verfahren ZVW 5/2003<br />
Die vormundschaftlichen Verfahrensbestimmungen sind daher trotz ihrer öffentlich-rechtlichen<br />
Natur unter den Begriff des «Zivilprozessrechts» im Sinne<br />
von Art. 122 Abs. 1 BV-Justizreform zu subsumieren. Dieser Schluss rechtfertigt<br />
sich insbesondere auch, wenn man sich den Grund ihrer Zuordnung zum öffentlichen<br />
Recht vor Augen hält. Öffentlich-rechtlich sind die vormundschaftlichen<br />
Verfahren zunächst wegen ihres hoheitlichen, nicht streitigen Charakters bzw.<br />
wegen des Fehlens der für die streitige Gerichtsbarkeit prägenden Zweiparteiensituation.<br />
Es darf aber nicht vergessen werden, dass diese Verfahrensmerkmale<br />
letztendlich bloss Folge des Umstands sind, dass die dahinter stehenden<br />
Massnahmen des materiellen Rechts – etwa die Beschränkung der Handlungsfähigkeit<br />
mündiger Personen oder der Freiheitsentzug aus fürsorgerischen<br />
Gründen – nach dogmatischen Gesichtspunkten ihrerseits dem öffentlichen<br />
Recht zuzuordnen wären. Werden aber die materiellen Institute als Teil des Zivilrechts<br />
anerkannt, so muss für das zugehörige Verfahrensrecht Entsprechendes<br />
gelten, d.h. es muss unter den Begriff des Zivilprozessrechts subsumiert und der<br />
Zivilprozesskompetenz gemäss Art. 122 Abs. 1 BV-Justizreform zugeordnet werden.<br />
45<br />
Nur am Rande sei im Übrigen bemerkt, dass in der parallel zur Justizreform<br />
ange<strong>la</strong>ufenen Totalrevision der Bundesrechtspflege die historisch gewachsene<br />
Zugehörigkeit der vormundschaftlichen Massnahmen zum Privatrecht erneut<br />
bekräftigt wird. So weist Art. 68 Abs. 2 Bst. b Ziff. 6 des Entwurfs zu einem Bundesgesetz<br />
über das Bundesgericht Streitigkeiten über die Entmündigung, die Errichtung<br />
einer Beirat- oder Beistandschaft und die fürsorgerische Freiheitsentziehung<br />
ausdrücklich der Beschwerde in Zivilsachen zu. 46<br />
2.2.5 Fazit<br />
Obwohl die vormundschaftlichen Verfahren im Zusammenhang mit der Anordnung,<br />
Aufhebung und Durchführung von Massnahmen sowie der Bestellung<br />
von Amtsträgern zu einem grossen Teil öffentlich-rechtlicher Natur sind, er-<br />
entsprechenden Zuständigkeits-, Organisations- und Verfahrensbestimmungen der Zivilrechtskompetenz<br />
zuzuweisen.<br />
45<br />
Dieser Zusammenhang zwischen Prozessrecht und materiellem Recht wird noch deutlicher, wenn<br />
man sich die Vorgängerbestimmungen der Zivilprozessnorm von Art. 122 Abs. 1 BV-Justizreform<br />
vor Augen hält. Wie bereits ausgeführt worden ist, verwendeten diese Bestimmungen den Ausdruck<br />
«das gerichtliche Verfahren» (Art. 122 Abs. 2 BV; Art. 64 Abs. 3 aBV). Aus dieser Umschreibung<br />
allein ergibt sich zwar noch keine Zuordnung zu einem spezifischen Rechtsgebiet. Eine<br />
solche wird aber ersichtlich aus der systematischen Stellung der Regelungen im Anschluss an den<br />
vorangehenden Absatz (Art. 122 Abs. 1 BV) bzw. die vorangehenden Absätze (Art. 64 Abs. 1 und<br />
2 aBV). Diese Vorschriften beinhalten die Kompetenzzuweisung für das gesamte Zivilrecht, mithin<br />
auch für jenen Teil des Vormundschaftsrechts, der dogmatisch betrachtet öffentlich-rechtlicher<br />
Natur ist. Damit muss sich aber auch das gerichtliche Verfahren auf sämtliche Teile des Zivilrechts<br />
beziehen.<br />
46<br />
BBl 2001 4496. – Bereits Art. 44 Bst. e und f des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 1943 über die<br />
Organisation der Bundesrechtspflege unterstellt die Entmündigung, die Anordnung einer Beistandschaft<br />
sowie die fürsorgerische Freiheitsentziehung der Berufung und nicht der Verwaltungsgerichtsbeschwerde<br />
(vgl. in diesem Zusammenhang ferner Art. 100 Bst. g OG sowie BGE<br />
100 Ib 114 ff., wonach «alles, was mit der Vormundschaft zusammenhängt, nach der geltenden<br />
Rechtsauffassung zum Zivilrecht gehört»).<br />
© Schulthess Juristische Medien AG, Zürich · Basel · Genf 2003<br />
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