RDT - Numéro spécial concernant la révision - VBK-CAT
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ZVW 5/2003<br />
Auer, Bundeskompetenzen in vormundschaftlichen Verfahren<br />
2.3.3 Auswirkungen auf die Verfahrenskompetenz<br />
Dass dem Bund die Befugnis zur Regelung der vormundschaftlichen Verfahren<br />
zusteht, die Zuständigkeit für die Gerichts- und Behördenorganisation aber<br />
grundsätzlich bei den Kantonen liegt, ist an sich nichts Ungewöhnliches. Eine<br />
solche Kompetenzaufteilung entspricht vielmehr der Regelung, wie sie neu auch<br />
für das k<strong>la</strong>ssische Zivilprozessrecht gilt. Allerdings zeichnet sich gerade das Vormundschaftsrecht<br />
durch eine besonders ausgeprägte Vielfalt an kantonalen Organisations-<br />
und Verfahrensbestimmungen aus. Dabei springt vor allem die unterschiedliche<br />
Geltung von zivil- und verwaltungsprozessualen Regeln und<br />
Instituten ins Auge. 55 Angesichts dieser Verschiedenartigkeit der Verfahren<br />
dürfte der Grundsatz, wonach der Bund auch im Bereich der Gerichts- und<br />
Behördenorganisation zur Regelung befugt ist, gerade hier besondere Bedeutung<br />
er<strong>la</strong>ngen. Die Ablösung der unterschiedlichen Verfahren durch eine gesamtschweizerische<br />
Regelung wird daher wohl zum Teil mit einschneidenden,<br />
aber berechtigten Einbrüchen in die kantonale Organisationshoheit verbunden<br />
sein.<br />
IV. Fazit und Zusammenfassung<br />
Gestützt auf Art. 122 Abs. 1 BV-Justizreform wird der Bund neu befugt sein,<br />
die Verfahren vor vormundschaftlichen Behörden umfassend zu regeln. Die Organisation<br />
der Gerichte und Behörden bleibt dagegen grundsätzlich weiterhin<br />
den Kantonen vorbehalten. Allerdings hat der Verfassunggeber den Vorbehalt<br />
zu Gunsten der Kantone ergänzt und dem Bund die Befugnis erteilt, die Organisationshoheit<br />
der Kantone mittels Gesetz zu durchbrechen. Von dieser Möglichkeit<br />
hat der Bund zurückhaltend Gebrauch zu machen.<br />
Welche Schlüsse sind nun aus diesen Erkenntnissen für die eingangs gestellten<br />
Fragen zu ziehen?<br />
Zunächst bedeutet der festgestellte Kompetenzwechsel, dass sich dem Bund<br />
die Möglichkeit eröffnet, die ohnehin schon ansehnliche Zahl von bundesrechtlichen<br />
Verfahrensbestimmungen durch weitere Normen zu ergänzen und zu<br />
vervollständigen. Hierzu ist er an sich sogar verpflichtet. Bei der Zivilprozesskompetenz<br />
von Art. 122 Abs. 1 BV-Justizreform handelt es sich um eine konkurrierende<br />
Kompetenz. Die Kantone bleiben somit zuständig, soweit und so<strong>la</strong>nge<br />
der Bund nicht legiferiert. 56 Das heisst aber nicht, dass es im Belieben des Bun-<br />
55<br />
Vgl. hierzu vorstehend Ziff. III./2.2.4.2.<br />
56<br />
BBl 1997 I 525. – Eine Besonderheit besteht im Falle von Art. 122 Abs. 1 BV-Justizreform allerdings<br />
darin, dass sich der Bund nicht bloss darauf beschränken kann, zusätzliche Verfahrensregeln<br />
im Bereich der vormundschaftlichen Verfahren zu er<strong>la</strong>ssen. Vielmehr muss er darüber hinaus<br />
gleichzeitig all jene Vorbehaltsnormen des ZGB aufheben oder anpassen, welche die entsprechenden<br />
Kompetenzen den Kantonen zuweisen. Zu diesen Vorbehalten gehören etwa die bereits<br />
erwähnten Art. 373 Abs. 1 ZGB und 397e ZGB. Dies stellt aber kein besonderes Hindernis auf<br />
dem Weg zu einem einheitlichen Verfahrensrecht dar.<br />
204<br />
© Schulthess Juristische Medien AG, Zürich · Basel · Genf 2003