winter/zima 2006/2007 Es ist immer das Gleiche ... - Pavlova hiša
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Eine Begegnung – oder „Wer <strong>immer</strong> ein Menschenleben rettet ...“<br />
Dezember 1913 in Graz als uneheliche Tochter<br />
der Köchin Theresia Kranzelbinder geboren.<br />
Sie arbeitete Mitte der Dreißigerjahre als<br />
Weißnäherin und wohnte in einem Mietshaus<br />
in Misselsdorf in der südoststeirischen Gemeinde<br />
Gosdorf bei Mureck. Am 4. August<br />
1937 heiratete Rosa Kranzelbinder im Alter<br />
von 23 Jahren den Murecker Kaufmannssohn<br />
Alfons Freißmuth (1908–1959). Alfons Freißmuth<br />
betrieb in der Folge mit seiner Frau Rosa<br />
eine Gemischtwarenhandlung im südburgenländischen<br />
Neuhaus am Klausenbach.<br />
Anfang September 1939 begann mit dem deutschen<br />
Angriff auf Polen der Zweite Weltkrieg.<br />
Alfons Freißmuth rückte bald zur Wehrmacht<br />
ein, Rosa Freißmuth führte <strong>das</strong> Geschäft in<br />
Neuhaus am Klausenbach in den nächsten<br />
Kriegsjahren allein weiter. 5<br />
Winter 1944/45. Auf Grund der katastrophalen<br />
militärischen Lage Hitler-Deutschlands<br />
wurde ab Mitte Oktober 1944 entlang der<br />
österreichisch-ungarischen (damals deutschungarischen)<br />
Grenze mit dem Bau von Stellungs-<br />
und Befestigungsanlagen, dem so genannten<br />
„Südostwall“, begonnen. Mit diesem<br />
Schutzwall – auch „Reichsschutzstellung“ genannt<br />
– sollte der Vormarsch der Roten Armee<br />
gestoppt werden. Er sollte sich aber bei<br />
den folgenden Kämpfen zwischen deutschen<br />
und sowjetischen Truppen schließlich überwiegend<br />
als nutzlos erweisen.<br />
Abschnittsleiter des Stellungsbauabschnittes V-<br />
Feldbach war der NSDAP-Kreisleiter von Feldbach,<br />
Anton Rutte. Der Stellungsbauabschnitt<br />
Feldbach reichte vom steirischen Radkersburg<br />
bis nach Mogersdorf im Südburgenland. Im<br />
5 Adressbuch der Ostmark, S. 507; http://holocaustcenter.org/<br />
OralH<strong>ist</strong>ory/Synopsis.php?file=213 (1.3.<strong>2006</strong>).<br />
102<br />
südlichen Teil dieses Bereiches lagen die Unterabschnitte<br />
V/1-Radkersburg, V/2-Klöch,<br />
V/3-St. Anna am Aigen und V/4-Kalch. 6<br />
Neben der notdienstverpflichteten Zivilbevölkerung<br />
waren Hitlerjugend, Reichsarbeitsdienst,<br />
Ausländer, „Ostarbeiter“ und jüdische<br />
Zwangsarbeiter aus Ungarn beim Stellungsbau<br />
eingesetzt. Nach den späteren Aussagen<br />
des verantwortlichen Kreisleiters Rutte waren<br />
in seinem Stellungsbauabschnitt ab Jänner<br />
1945 ca. 3.000 ungarische Juden als Zwangsarbeiter<br />
eingesetzt.<br />
In Neuhaus am Klausenbach, <strong>das</strong> zum Stellungsbau-Unterabschnitt<br />
V/4 Kalch (Unterabschnittskommandant<br />
Walter Freudensprung)<br />
gehörte, waren ab Ende Dezember 1944 auch<br />
eine größere Anzahl von ungarischen Juden<br />
vor allem in den beiden Schulgebäuden (die<br />
ehemaligen konfessionellen Schulen) einquartiert.<br />
Die Schule war bereits ab Herbst 1944<br />
geschlossen worden, um Stellungsbauarbeitern<br />
Quartier zu bieten. 7 Der Schulleiter Johann<br />
Neubauer (er war bis zur Vereinigung der beiden<br />
konfessionellen Schulen 1938 bereits Leiter<br />
der evangelischen Schule gewesen) wurde<br />
beim Stellungsbau eingesetzt und musste in<br />
dieser Funktion auch die jüdischen Zwangsarbeiter<br />
überwachen. 8 Die Bewachung der ungarisch-jüdischen<br />
Schanzarbeiter erfolgte auch<br />
in Neuhaus am Klausenbach teilweise durch<br />
„volksdeutsche“ und moslemische Angehörige<br />
(Bosniaken) des 2. SS-Baubataillons „Kama“.<br />
Nach Erinnerungen eines Überlebenden trugen<br />
die bosnischen SS-Männer zur Uniform<br />
6 Franz Josef Schober, Jüdisches Schicksal an der Grenze. Zwei<br />
Teilaspekte, in: Signal (Winter 2005/<strong>2006</strong>), S. 203ff.<br />
7 Rudolf Koth, Die Besiedlung meines Schulortes und <strong>das</strong> Schicksal<br />
der Siedler im Rahmen des allgemeinen h<strong>ist</strong>orischen Geschehens.<br />
Neuhaus am Klausenbach. Hausarbeit 1950, S. 45f.<br />
(BLA)<br />
8 200 Jahre Evangelische Kirche Neuhaus, S. 25f.