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winter/zima 2006/2007 Es ist immer das Gleiche ... - Pavlova hiša

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Vor dem Wettlauf um Südosteuropa<br />

„Balkan“ war lange ein Herrschaftsbegriff des<br />

Westens, der aber heute <strong>das</strong> Potential hat, ein<br />

Stück Inspiration und Erneuerung Europas zu<br />

sein. <strong>Es</strong> <strong>ist</strong> gut, zu wissen, <strong>das</strong>s Europäische<br />

Balkanpolitik <strong>immer</strong> <strong>das</strong> Potential besaß,<br />

herrschen oder teilen zu bedeuten. Österreich<br />

unterstützt mit viel Geld und Engagement auf<br />

dem Westbalkan Projekte zur Bildungskooperation,<br />

zur Stärkung der Zivilgesellschaft und<br />

zum Ausbau von Infrastruktur. Aber gleichzeitig<br />

schaffen Reisebeschränkungen Mobilitätsbarrieren.<br />

Wenn Udo Jürgens wegen einer<br />

Visumsfrage für eine Stunde auf einem New<br />

Yorker Flughafen aufgehalten wird, dann gibt<br />

dies empörte Schlagzeilen in österreichischen<br />

Zeitungen. Über die Tatsache, <strong>das</strong>s etwa serbische<br />

Staatsangehörige in der Ära Milošević<br />

visumsfrei einreisen durften, aber heute in Visumsschlangen<br />

vor den Botschaften der EU-<br />

Staaten manch Unerfreuliches erleben, kenne<br />

ich keine Zeitungsschlagzeilen. Österreich<br />

setzt sich innerhalb der EU zu Recht für Regelungen<br />

ein, die derartige Widersprüche zwischen<br />

Integration und Abgrenzung abbauen.<br />

Das wohl noch längere Zeit bestehende Wohlstandsgefälle,<br />

von dem Österreich wirtschaftlich<br />

profitiert, schafft zusätzliche Herausforderungen<br />

und Widersprüche in den Bereichen<br />

Migration und „brain drain“. Allein in Wien<br />

leben mehrere Hunderttausend Menschen, die<br />

aus Südosteuropa stammen, und vor allem die<br />

Universitäten in Wien und Graz sind – ähnlich<br />

wie im 18. und 19. Jahrhundert – attraktive<br />

Orte für südosteuropäische Studenten.<br />

Gut für Wien und für Österreich, aber wohl<br />

ein Problem für die südosteuropäischen Staaten,<br />

die gerade in der Reformphase „brain<br />

gain“ benötigen. Partnerschaftliche Kooperation<br />

sollte daher besonders Hilfe beim Ausbau<br />

22<br />

moderner Bildungsangebote in der gesamten<br />

Region umfassen.<br />

Üblicherweise wird die österreichische Balkanlust<br />

Klemens Fürst Metternich zugeschrieben,<br />

für den der Balkan gleich hinter dem Rennweg<br />

begonnen hat. Dies wird bis heute gerne<br />

zitiert, wenn es darum geht, den Österreicher<br />

zu verstehen: „Er hat <strong>immer</strong> eine Lösung, wo<br />

der Deutsche längst behauptet, es gehe nicht.<br />

Der Balkan <strong>ist</strong> eben dicht dran“. Dies sagte<br />

der aus Berlin kommende Bahnmanager Rüdiger<br />

vorm Walde vor einigen Jahren nach seinen<br />

ersten Erfahrungen im österreichischen<br />

Geschäftsleben. Tatsächlich <strong>ist</strong> die Balkanlust<br />

älter und so etwas wie die Vorstellung,<br />

<strong>das</strong>s <strong>das</strong> eigentliche Österreich im Austausch<br />

von Meinungen zwischen den Alpen und dem<br />

Balkangebirge besteht. Zumindest seit dem<br />

16. Jahrhundert, als die Habsburger auch ungarische<br />

Könige wurden, war der Balkan für<br />

Österreich Grenze, jener Ort, wo um Territorien<br />

und Werte gekämpft wurde. Daran hat<br />

sich lange wenig geändert. Bis heute liegt diese<br />

Region nah und fern zugleich. Österreich<br />

<strong>ist</strong> recht stolz darauf, <strong>das</strong>s der Westen meint,<br />

dieses Land würde den Balkan besser als viele<br />

andere verstehen, aber denkt dabei kaum daran,<br />

<strong>das</strong>s in diesem Urteil auch die Vermutung<br />

steckt, Österreich sei selbst in vielem dem Balkan<br />

verwandt.<br />

Die vor uns liegende nächste große Aufgabe<br />

der europäischen Einigung besteht in der<br />

vollständigen Einbindung Südosteuropas in<br />

<strong>das</strong> europäische Modell. In diesem Sinn liegt<br />

die Zukunft Europas auf dem Balkan. Dass<br />

Österreich sowohl aus westlicher als auch aus<br />

südöstlicher Sicht am Wege dorthin liegt, <strong>ist</strong><br />

eine jener raren h<strong>ist</strong>orischen Momente, für die

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