winter/zima 2006/2007 Es ist immer das Gleiche ... - Pavlova hiša
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Vor dem Wettlauf um Südosteuropa<br />
kunftsperspektiven zu tun haben, dann wird<br />
Österreich in Zukunft ein südosteuropäischer<br />
Staat sein. Die größten Auslandsinvestitionen<br />
der letzten Jahre sind in diesem Raum erfolgt.<br />
Österreichs Wirtschaft profitiert von den Reformen<br />
und dem Wachstum der südosteuropäischen<br />
Volkswirtschaften. Österreich agiert<br />
als Anwalt der europapolitischen Interessen<br />
der Westbalkanstaaten. Für die europäische<br />
Integration der Balkanstaaten <strong>ist</strong> Wien ein politischer<br />
und kultureller Gradmesser für Lobbying<br />
und Stimmungen. Die ethnische und<br />
religiöse Vielfalt Südosteuropas <strong>ist</strong> in vieler<br />
Hinsicht auch wieder Teil der österreichischen<br />
Wirklichkeit. Der im österreichischen Selbstverständnis<br />
stets präsente Donauraum wächst<br />
mit dem bevorstehenden EU-Beitritt von Bulgarien<br />
und Rumänien wieder stärker zusammen<br />
als jemals seit dem Untergang der Donaumonarchie.<br />
Der Donauraum wird zum<br />
europäischen Binnenraum.<br />
Aber <strong>ist</strong> Österreich darauf vorbereitet, ein Balkanstaat<br />
zu sein? Liegen die Balkankriege weit<br />
genug zurück, um öffentlich mehr sagen zu<br />
können, als <strong>das</strong>s Österreichs Wirtschaft einen<br />
zusätzlichen Hoffnungsmarkt gewonnen hat?<br />
So wie es vor 1989 weder in den Eliten noch<br />
in der Gesamtbevölkerung eine Mehrheit für<br />
mitteleuropäische Perspektiven Österreichs<br />
gab, so <strong>ist</strong> heute die Vorstellung eines südosteuropäischen<br />
Österreichs vielen nicht recht geheuer.<br />
Die einen meinen, <strong>das</strong>s der Balkan von<br />
uns in jeder Hinsicht zu weit entfernt <strong>ist</strong> und<br />
übersehen dabei, <strong>das</strong>s es von Wien nach Sarajevo<br />
nicht weiter als nach Innsbruck <strong>ist</strong> und <strong>das</strong>s<br />
die heute in Österreich so positiv vermerkte<br />
frühe staatliche Anerkennung des Islams<br />
(1912) ein Ergebnis des Zusammenlebens mit<br />
einer moslemischen Bevölkerungsmehrheit in<br />
20<br />
Bosnien und Herzegowina nach der Annexion<br />
von 1908 war. Die anderen fürchten sich<br />
vor dem, wofür <strong>das</strong> Stereotyp der „Balkanisierung“<br />
steht (Klientelwesen, Korruption, eine<br />
schwache Zivilgesellschaft, undemokratische<br />
Vorgänge, öffentliche, zumindest verbale Gewaltbereitschaft,<br />
politische Instabilität, ethnische<br />
Unversöhnlichkeit) und übersehen,<br />
<strong>das</strong>s gerade die Partnerschaft mit Südosteuropa<br />
die beste Voraussetzung <strong>ist</strong>, um nicht Instabilität<br />
zu importieren oder manche vorhandenen<br />
„schlampigen politischen Verhältnisse“ in<br />
Österreich aufrecht zu erhalten, sondern Stabilität<br />
und den Weg zu einer aktiven Zivilgesellschaft<br />
gemeinsam zu erarbeiten.<br />
Die h<strong>ist</strong>orischen Zusammenhänge sind an<br />
vielen Beispielen darstellbar. Die serbische<br />
Schriftsprache wurde von Vuk Karadžić in<br />
Wien entwickelt, albanische Nationalsymbole<br />
sind Teil Wiener Museen, und die größte<br />
Synagoge in Sofia wurde von einem österreichischen<br />
Architekten gebaut. Man will aber<br />
dennoch nicht zum Balkan gezählt werden.<br />
Schließlich war der Balkan im gesamten 20.<br />
Jahrhundert ein abwertender Begriff europäischer<br />
Politiker und wurde stellvertretend<br />
mit allem assoziiert, was Europa überwunden<br />
hatte: Bürgerkriege, ethnisch motivierte Gewalt,<br />
politisches Chaos, wirtschaftliche Rückständigkeit.<br />
Noch vor wenigen Jahren haben<br />
auch die Regierungen in Ungarn, Slowenien<br />
und Kroatien betont, <strong>das</strong>s ihr Land nicht<br />
zum Balkan gezählt werden will. Seit im Jahr<br />
2003 allen Westbalkanstaaten die europäische<br />
Perspektive in Form einer künftigen EU-Mitgliedschaft<br />
eröffnet wurde, haben sich die strategischen<br />
Überlegungen der Mitteleuropäer<br />
geändert. Noch gilt es, in Teilen des ehemaligen<br />
Jugoslawien vor allem friedliches „chan-