winter/zima 2006/2007 Es ist immer das Gleiche ... - Pavlova hiša
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hen Me<strong>ist</strong>erwerke altösterreichischer Ingenieurbaukunst<br />
<strong>immer</strong> besonders faszinierten. <strong>Es</strong><br />
waren die emotionalen Erzählungen meines<br />
Vaters über meinen Großvater, der unter kaum<br />
vorstellbaren Strapazen als Unteroffizier einer<br />
Genietruppe der k. k. Armee bei derartigen<br />
Bauprojekten mitgewirkt hatte.<br />
Genau dieses Erkennen einer „familiengeschichtlichen<br />
Verstrickung“ hat mir den Weg<br />
gewiesen, und unvermittelt begannen die Zeilen<br />
aufs Papier zu fließen. Vielleicht hat ein<br />
bisschen die journal<strong>ist</strong>ische Erfahrung als<br />
Kulturberichterstatter bei einer oberösterreichischen<br />
Tageszeitung nachgeholfen: Aber<br />
ab diesem Zeitpunkt „flogen“ mir völlig überraschend,<br />
aber doch nicht unbegründet, Unmengen<br />
an Berichten, Daten, Bildern und<br />
Erzählungen zu, die zunächst den Rahmen<br />
meiner Vorstellungen bei weitem sprengten,<br />
aber schließlich genug Selektion zuließen, um<br />
<strong>das</strong> Thema zu verdichten.<br />
Mehr oder weniger verwundert musste ich mir<br />
zunächst eingestehen, wie undeutlich und lückenhaft<br />
mein Bild und mein Wissen von der<br />
Geschichte war, in deren Umfeld mein Großvater<br />
aufwuchs. Kaum irgendwelche Hintergründe<br />
waren mir in den Lehrplänen der<br />
von mir besuchten Mittelschule und der Universität<br />
untergekommen. Erst als ich anfing,<br />
Verbindungen zwischen dem Schicksal einer<br />
Einzelperson (Großvater) mit Schicksalen anderer<br />
Menschen und Gesellschaftsgruppen<br />
herzustellen und diese mit politischen, wirtschaftlichen,<br />
kulturellen, arbeitstechnischen,<br />
ökonomischen und sozialen Aspekten zu verknüpfen,<br />
entstand ein Szenario, von dem ich<br />
fühlte, wie es „anno dazumal“ in etwa zugegangen<br />
sein könnte.<br />
Maroni, Sterz und Muskateller<br />
Methodisch und inhaltlich habe ich in „Maroni,<br />
Sterz und Muskateller“ versucht, zwischen<br />
den vielen Ebenen, von persönlich bis international,<br />
halbwegs verständlich und fließend zu<br />
wechseln, um so ein Netzwerk zu schaffen, für<br />
alle wesentlichen Ereignisse und Strukturen,<br />
die von 1880–1935 <strong>das</strong> steirische Weinland<br />
und die Untersteiermark (Slowenien) charakterisieren.<br />
Alle Kapitel beginnen mit einer sehr persönlich<br />
geschriebenen, prosaischen Geschichte,<br />
um in der Folge zu den wichtigsten h<strong>ist</strong>orischen<br />
Details und Fakten überzuleiten. Ein<br />
kurzer Auszug vom Anfang des Kapitels 2<br />
„Leben im steirischen Weinland anno dazumal“<br />
möge dies verdeutlichen.<br />
Europa <strong>ist</strong> voller Veränderung und „Geschichte“<br />
wird ebenso zu einem geflügelten Wort wie<br />
„Nationalität“ und „Muttersprache“. In Cilli,<br />
der malerischen, kleinen Stadt an der Sann,<br />
bahnt sich ein junger Mann den Weg durch die<br />
morgendliche Menschenmenge. Fast krampfhaft<br />
umfasst seine Hand ein Stück Papier, <strong>das</strong><br />
für ihn die Welt bedeutet. <strong>Es</strong> <strong>ist</strong> sein Gesellenbrief,<br />
der ihm den Abschluss seiner Schuhmacherlehre<br />
bestätigt. Der Vater hat ihm zuhause<br />
ein paar Kreuzer zugesteckt und fieberhaft<br />
denkt er nun nach, was er damit anstellen soll.<br />
Groß <strong>ist</strong> der Reiz damit ins „Cafe Zentral“<br />
beim Rathaus zu gehen, weil sich dort die Magnaten,<br />
Kaufleute und Bürgerstöchter von Cilli<br />
treffen, aber es geziemt sich nicht, für den Sohn<br />
eines Häuslers und einem slowenischsprachigen<br />
noch dazu.<br />
Nach einigem Überlegen entscheidet er sich für<br />
den Gasthof „Krusič“ in der Laibacherstraße,<br />
weil er dort vielleicht ein paar Freunde aus<br />
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