winter/zima 2006/2007 Es ist immer das Gleiche ... - Pavlova hiša
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Kulturelles Erbe?<br />
Volklieder 4 hat Štrekelj ein gigantisches kulturelles<br />
Erbe hinterlassen, <strong>das</strong>s als Beginn der<br />
slowenischen Ethnologie bezeichnet wird.<br />
Dieser in Graz tätige Slaw<strong>ist</strong> <strong>ist</strong> in Slowenien<br />
eine h<strong>ist</strong>orische Autorität, ein identitätsstiftendes,<br />
nationales Symbol. Dennoch <strong>ist</strong> sein<br />
kulturelles Erbe ein gemeinsames, ein Erbe<br />
der langen gemeinsamen „österreichisch-slowenischen“<br />
Geschichte innerhalb der Habsburger-Monarchie.<br />
Johann Puch (Janez Puh),<br />
Hugo Wolf, Karel Štrekelj und auch viele andere<br />
Persönlichkeiten ihrer Zeit entziehen sich<br />
einer klaren nationalen Etikettierung. „Denkt<br />
man daran, wieviel ‚Slowenen’ gerade in Wien<br />
[oder auch in Graz] Bedeutendes gele<strong>ist</strong>et haben,<br />
wie viele (auch deutschsprachige) ‚Österreicher’<br />
oder österreichische Institutionen für<br />
die slowenische Kulturgeschichte wichtige<br />
Beiträge erbracht haben, dann erscheint die<br />
Frage, ob sie der einen oder anderen Nation‚<br />
gehören’ skurril.“ 5<br />
Der europäische kulturelle Partikularismus<br />
stützt sich auf die Idee der „Einheit in der<br />
Vielfalt“; diese europäische Identität setzt sich<br />
zusammen aus der Erinnerung an gemeinsame<br />
Konflikte, Traumata, Ängste bis hin zu Klassenkonflikten.<br />
6<br />
In der Suche nach einem neuen verbindenden<br />
Koordinatensystem zeigt sich, <strong>das</strong>s geschichtlich<br />
gewachsene kulturelle Beziehungen bedeutsamer<br />
sind als politische und ökonomische<br />
Zuordnungen. Nach Dr. Gerhard Stickel, Präsident<br />
der Europäischen Föderation nationaler<br />
4 Zwischen 1895 und 1923 erschienen vier Bände mit insgesamt<br />
8.686 gesammelten Volksliedern.<br />
5 Martin Pammer, Österreich-Bild in Slowenien, in: Europaeische<br />
Rundschau, 29. Jg. (H1/2001), S.57.<br />
6 Vgl. Martin Heidenreich, Identität und Öffentlichkeit in Europa.<br />
In der Veranstaltung verteiltes Handout, S.3 <br />
Sprachinstitutionen, liegt der Akzent auf der<br />
sprachlichen und kulturellen Vielfalt: „Europa<br />
<strong>ist</strong> nicht reich an Bodenschätzen. Sein eigentlicher<br />
Reichtum besteht in seiner kulturellen<br />
Vielfalt. Und die beruht ganz wesentlich auf<br />
seiner sprachlichen Vielfalt. Die wissenschaftlichen<br />
und kulturellen Le<strong>ist</strong>ungen und Traditionen<br />
der Europäer sind in ihren verschiedenen<br />
Sprachen bewahrt. In einer Einheitssprache<br />
würden sie nach und nach verloren gehen. Dass<br />
sprachliche Vielfalt den wirtschaftlichen, wissenschaftlichen<br />
und kulturellen Fortschritt<br />
eher fördert als behindert, zeigt die europäische<br />
Ge<strong>ist</strong>esgeschichte. Der Beginn der europäischen<br />
Moderne in Wissenschaft, Wirtschaft<br />
und Kultur ging einher mit der Emanzipation<br />
der ‚Volkssprachen’ Italienisch, Spanisch, Französisch,<br />
Englisch, Deutsch usw. von der Einheitssprache<br />
der mittelalterlichen Eliten Europas,<br />
dem Latein.“ 7 Hinzuzufügen wären auch<br />
die vielen slawischen Sprachen und Kulturen,<br />
die ebenso zum Bild der europäischen Ge<strong>ist</strong>esgeschichte<br />
gehören.<br />
Die Slaw<strong>ist</strong>in Katja Sturm-Schnabl sieht einen<br />
wesentlichen Aspekt der europäischen Kultur<br />
als Gesamtheit im Innovationsvermögen der<br />
so genannten „kleineren Völker“, „die im bewussten<br />
Kulturschaffen zur Verteidigung der<br />
eigenen Identität gegen die quantitativ stärkeren<br />
Nationen kulturell produktiv, kreativ<br />
und innovativ werden müssen.“ 8 Katja Sturm-<br />
Schnabl meint damit in erster Linie unseren<br />
noch „jungen“ Nachbarstaat Slowenien, dennoch<br />
<strong>ist</strong> ihre Analyse auch in Bezug auf die<br />
österreichischen Volksgruppen anwendbar,<br />
vor allem die slowenische Volksgruppe in der<br />
7 Interview mit Dr. Gerhard Stickel: Kulturelle Vielfalt und die<br />
Zukunft großer Kultursprachen, Mai <strong>2006</strong> .<br />
8 Sturm-Schnabl, Die Rolle der Literatur- und Sprachwissenschaften,<br />
S.1.