PDF-Dokument - Burschenschaftsgeschichte
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I. Teil Konfliktfeld: Staat – Gesellschaft – Landsmannschaften in Landshut von 1800 bis 1826 113<br />
wirtschaftliche Misere in Form einer drückenden Staatsschuld sowie die Notwendigkeit,<br />
divergierende Bevölkerungsteile durch eine umfassende Einbindung in die<br />
Entscheidungsprozesse (Nationalrepräsentation) zu integrieren, überdies dem<br />
stagnierenden ökonomisch-technischen Modernisierungsprozeß neue Schubkraft zu<br />
verleihen, machten eine verfassungsmäßige Verankerung notwendig. 320<br />
Daß für Bayern eine landständische Verfassung aufgrund der in der Rheinbundzeit<br />
erfolgten Reformen nicht mehr möglich war, belegt ein Blick auf die strukturverändernden<br />
Ergebnisse dieses Modernisierungsprozesses. Die absolute Monarchie wird in der<br />
Verfassung von 1818 einen Teil ihrer exekutiven Befugnisse an das aufkommende<br />
Bürgertum abgeben, der Machtzuwachs von einer schrittweisen Entmachtung des<br />
Feudalismus (trotz dessen gesellschaftlicher Wirkkraft bis 1918) begleitet war. Die<br />
Eindämmung der Stände durch die Verfassung von 1808 markierte den Sieg des<br />
Monopolstaates mit monarchischer Zentralgewalt über dem Ständestaat und ebnete den<br />
irreversiblen Weg in die mobile Gesellschaft des Industriezeitalters.<br />
Der so erneuerte Staat ruhte auf den Säulen von Bürokratie, Heer und merkantiler<br />
Wirtschaftspolitik. Voraussetzung dafür war allerdings die Trennung von Dynastie und<br />
Staat und der damit einhergehenden Ministerverantwortlichkeit. Als alles treibende Kraft<br />
erwies sich in diesem Umwandlungsprozeß die liberale Bürokratie, die die "Autorität des<br />
Staates verfocht, weil sie den aufgeklärten Absolutismus ideell vertrat". Der durch die<br />
Bürokratie vorangetriebene Wandel erwies sich als tiefgreifend und änderungsresistent,<br />
ein Faktum, dem sich auch Ludwig I. beugen mußte, dessen Neoabsolutismen am<br />
selbständigen bürokratischen Staat eine Schranke fanden. 321<br />
Dieser bürokratisch-zentralistische Staatsaufbau, wie er sich in der Rheinbundzeit<br />
herausgebildet hatte, bedingte geradezu eine Repräsentativverfassung, wollte man sich<br />
nicht der Gefahr der Herausbildung eines bürokratischen Absolutismus aussetzen. 322 Daß<br />
diese Gefahr einer realen Grundlage nicht entbehrte, werden die<br />
Verfassungsdiskussionen im Vorfeld der letztlich realisierten Verfassung vom 1818<br />
zeigen. Der durch die Verordnung vom 2.2.1817 auf den Weg gebrachte Staatsrat wies<br />
entschieden in diese Richtung und entsprach wesentlich mehr dem konstitutionellen<br />
Verständnis eines Montgelas als der sich schließlich auf Betreiben Zentners, des<br />
320<br />
321<br />
322<br />
vgl. Glaser, Hubert: München 1987. S.11<br />
vgl. Bosl, Karl: Eine Revolution kommt nicht über Nacht, auch nicht in Bayern. Historisch-strukturelle<br />
Voraussetzungen der parlamentarischen Demokratie im Freistaat Bayern. S.23-30. In: Freistaat<br />
Bayern. Die politische Wirklichkeit eines Landes der Bundesrepublik Deutschland. München 1975<br />
vgl. Aretin, Karl Otmar von: Göttingen 1980 S.176