PDF-Dokument - Burschenschaftsgeschichte
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II. Teil Konfliktfeld: Staat – Gesellschaft – Burschenschaft in München von 1826 bis 1833 202<br />
Neuausrichtung zu mobilisieren. Die Behörden verfolgten und überwachten diese<br />
Aktivitäten und waren daher bestrebt, im Sinne einer „Verschwörungstheorie“<br />
Beweismittel gegen die politische Umtriebigkeit der Burschenschaften zu sammeln. 612<br />
Unter quellenkritischem Aspekt betrachtet, vermitteln die öffentlichen Akten zur<br />
Untersuchung der revolutionären Umtriebe stetig den Eindruck, als handele es sich bei<br />
den Burschenschaften um eine singuläre, d. h. von jedem gesellschaftlichen Background<br />
losgelöste, gewaltbereite Gruppierung, deren Aufgabe darin bestand, den revolutionären<br />
Arm der Umsturzpartei zu verkörpern, mit deren nachhaltiger Verfolgung und<br />
Zerschlagung eine Problembereinigung auf Dauer verbunden sein konnte. Die<br />
Untersuchungen, welche auf dem Aspekt dieser „Verschwörungstheorie“ basierten,<br />
wurden nach der fixierten Erkenntnis im Sinne dieser Theorie manipulativ vorangetrieben,<br />
wobei studentische Zeugenaussagen, soweit sie dem behördlichen Aspekt dienten<br />
(gemeint sind hier die „willfährigen“ Zeugen im Stile Ottos, Müllers und des Würzburger<br />
Morés), zur Bekräftigung der „Umsturztheorie“ übergewichtet wurden.<br />
Kritische Selbstreflexion im Stile einer Bestandsaufnahme, um möglicherweise einen<br />
Diskurs in Gang zu setzen, der vielleicht zu einer Neugewichtung bzw. Neubewertung der<br />
studentischen Revolutionsenergie hätte beitragen können, wurde aufgrund einer<br />
eindimensionalen Betrachtungsperspektive der ermittelnden Gerichte nicht geleistet. 613<br />
Vielmehr gerierten sich die staatlichen Autoritäten als Macht- und Wissensmonopolisten,<br />
deren Aufgabe es ist, den von Unwissenheit und Unmündigkeit fehlgeleiteten Mitgliedern<br />
der Gesellschaft mittels haus- und altväterlicher Strenge auf den rechten Weg<br />
zurückzugeleiten. Gerade bei der Beurteilung studentischer Aktivitäten bemüht man gern<br />
das Bild der von bösen Demagogen verführten, da aufgrund ihrer Jugend eben auch<br />
verführbaren, daher nur bedingt schuldigen Individuen, ohne jedoch bei der Zumessung<br />
des Strafmaßes (in der Folge des „Wachensturms“) diese Grundauffassung der bedingten<br />
Schuldfähigkeit zur Richtschnur des eigenen Handelns zu machen.<br />
Möglicherweise ein Indiz für die tiefe Verunsicherung (vielleicht sogar Verstörtheit) der<br />
Autoritäten bezüglich ihres eigenen Tuns.<br />
Die Verhaftungswelle vom 16.5.1832 traf etwa zwei Dutzend Germanen 614 , die im<br />
sogenannten Rosengarten, einer von der Germania häufig frequentierten Bierwirtschaft,<br />
612<br />
613<br />
614<br />
vgl. MInn 45830 und 45836<br />
vgl. hierzu auch Roeseling, Severin: Köln 1998. S. 275-278<br />
Eine komplette Namensliste findet sich im Akt D XIV 4 C, deren Auflistung aber dem Vorgang als<br />
solchem nichts Erhellendes hinzufügt, eine Einschätzung, die durch die richterliche Behandlung der<br />
einzelnen Fälle, die in aller Regel mit Freispruch wegen Unerheblichkeit der Verdachtsmomente<br />
endete, bestätigt wird, wenn man von Wilhelm Hammer, einem der Organisatoren der<br />
Kontaktaufnahme zu anderen Burschenschaften absieht.