PDF-Dokument - Burschenschaftsgeschichte
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II. Teil Konfliktfeld: Staat – Gesellschaft – Burschenschaft in München von 1826 bis 1833 134<br />
Naturgemäß barg eine konsequente Einforderung der Weiterentwicklung der Verfassung<br />
eine Menge Zündstoff. 377 Fehlende politische Programmatik und Breitenwirkung der<br />
liberalen Opposition dürfen zudem als konstitutive Merkmale betrachtet werden, wie auch<br />
der Umstand, daß vor 1830 die Freiheit innerhalb der Einzelstaaten als Postulat vor der<br />
Einheit Deutschlands rangierte, um dann unter dem Eindruck der fürstlichen<br />
Verweigerungshaltung nach 1830 zunehmend „Nationalisierungsforderungen“ zu<br />
weichen. 378<br />
Die internationale Diplomatie (zumindest die österreichische) machte sich über Ludwig<br />
wenig Illusionen. Sie hielt in eher für unberechenbar und für jemanden, der nicht weiß,<br />
was er will. Genau darin (so Rechberg gegenüber Trautmannsdorf) liege die Chance der<br />
„liberalen Partei“, deren „erwiesen schlechter Tendenz“ der König zu unterliegen drohe.<br />
Gerade in bezug auf die Stellung des Adels hegte Rechberg wiederholt Befürchtungen 379<br />
(diese Befürchtung erwies sich auch nicht als ganz unbegründet, als auf dem Landtag von<br />
1827 die liberale Opposition mit großem Einsatz, wenn auch erfolglos, gegen die<br />
Patrimonialgerichtsbarkeit und die Weiterexistenz der Grunduntertänigkeit zu Felde zog.)<br />
Seiner geistigen Grundhaltung nach ist Ludwig nicht zu den Vertretern jedweder liberalen<br />
Couleur zu rechnen. Beizupflichten ist hier vielmehr Andreas Kraus, der in Ludwig einen<br />
Konservativen im Sinne Chateaubriand erkennt, der in Religion und hierarchischer<br />
Gliederung von Staat und Gesellschaft die tragenden Elemente eines Staatsaufbaus<br />
sieht. Seine Koketterie mit liberalen Grundforderungen wie der Verbesserung der<br />
Verfassung stellen lediglich Mißverständnisse, allerdings mit weitreichenden Folgen, dar.<br />
In der Tat besaß Ludwig keine Vorstellung von der Dynamik, Aufgaben und Möglichkeiten<br />
einer Volksvertretung. Der Bruch mit der liberalen Opposition war unvermeidlich, als sich<br />
Verselbständigungstendenzen zeigten. 380<br />
Letztlich wird also Rechberg mit seinem Urteil Recht behalten, daß „der König<br />
demokratische Zustände hasse (…) und die Geistlichkeit sich über ihn nicht beklagen<br />
müsse“. 381<br />
377<br />
378<br />
379<br />
380<br />
381<br />
vgl. Faber, Karl Georg: Strukturprobleme des Deutschen Liberalismus im 19. Jahrhundert.. In: Der<br />
Staat. Zeitschrift für Staatslehre, öffentliches Recht und Verfassungsgeschichte. 14. Band/1. Heft<br />
Berlin 1975 S. 201-227<br />
vgl. Treml, Manfred, München 1994 S. 54-61<br />
Österreichische Gesandtschaftsberichte (Hrsg.: Chroust, Anton von): Band 36 Clam- Martinitz an<br />
Metternich 26.11.1825<br />
vgl. Kraus, Andreas: Geschichte Bayerns. Von der Geschichte bis zur Gegenwart. München 1983,<br />
S. 473f<br />
ÖGB: Band 36 Trautmannsdorf an Metternich 31.10.1825. Die zitierte Passage stammt aus einem<br />
Gespräch von Trautmannsdorf mit dem Grafen Alois von Rechberg