PDF-Dokument - Burschenschaftsgeschichte
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I. Teil Konfliktfeld: Staat – Gesellschaft – Landsmannschaften in Landshut von 1800 bis 1826 53<br />
Über die Weiterführung des Corps von nicht dimittierten Mitgliedern lassen sich allenfalls<br />
Spekulationen anstellen. 145<br />
Bis 1809 galt das studentische Leben wie erloschen, erst ab 1809 stehen wieder Quellen<br />
zur Verfügung. Die Corps mußten sich in jener Zeit vorsichtig bewegen, da laut<br />
Verordnung vom 3.4.1811 bereits das Tragen farbiger Kokarden (mit Ausnahme der<br />
Nationalkokarde) als Beleg für die Mitgliedschaft in einer verbotenen Verbindung gewertet<br />
wird. Erneute behördliche Aufmerksamkeit erregten Auseinandersetzungen innerhalb der<br />
Corps in der sogenannten Rennoncenrevolte, deren Höhepunkt in einer blutigen Rauferei<br />
(28.7.1811) gipfelte. Die nachfolgenden Untersuchungen förderten die zweifelsfreie<br />
Existenz von Bavaria, Franconia und Suevia zutage und führten zur dauerhaften<br />
Dimission ihrer Senioren (von den Bavaren war von Wachter betroffen).<br />
Das harte Vorgehen der Behörden erbitterte die Studenten und ließ sie an eine<br />
Abwanderung nach Erlangen denken, wo der behördliche Zugriff weit weniger<br />
entschieden gehandhabt wurde. Die Behörden, denen diese Pläne bekannt wurden,<br />
konnten zwar den Abzug verhindern, die in Aussicht gestellte disziplinäre<br />
Gleichbehandlung aller Universitäten blieb hingegen ein Lippenbekenntnis. Im Gegensatz<br />
zu 1806 erlosch das studentische Verbindungswesen keineswegs, sondern erfuhr<br />
vielmehr eine erneute Blüte, sichtbar an den zahlreichen Festivitäten wie Duellen. Zirkel,<br />
Farben und Wahlspruch der Corps existierten (die Bavaria: Concordia fortes virtute beati),<br />
aus Sicherheitsgründen blieben die Corpsgeheimhisse dem engeren Kreis vorbehalten,<br />
deren Zahl innerhalb der Bavaren – eine Besonderheit dieses Corps – auf zwölf begrenzt<br />
blieb. 146 Zur abermaligen Auflösung des Corps führten die großen Untersuchungen des<br />
Jahres 1813/14. Die Basis hierfür bildete des Montgelassche Reskript vom 28.2.1813,<br />
welches eine eidesstattliche Versicherung über Austritt bzw. Nichtteilnahme an einer<br />
verbotenen Verbindung enthielt nebst umfangreichem Strafkatalog bei Nichtbeachtung<br />
der einschlägigen Vorschriften. Zum eigentlichen Schlag gegen die Verbindungen gab die<br />
indiskrete Weitergabe der Stammbuchblätter des Bavaren Michael von Gönner (des<br />
Sohnes des vormaligen Rektors der Universität) den Behörden den gewünschten<br />
Vorwand. In mehreren Untersuchungswellen ab dem 9.9.1813 (siehe Punkt 6.3.) gelang<br />
es, die Verbindungen und die Mehrzahl ihrer Mitglieder zu entdecken. Den Vollzug der<br />
Urteile vom 19.6.1814 konnte ein Gutteil der Beurteilten aufgrund abgeschlossener<br />
Studien bzw. durch Überwechseln zum Militär entgegen. Für die Verurteilten selbst<br />
(darunter eine Vielzahl Bavaren wie Leinsteiner, Kellner, Du Val etc.) bestand im<br />
145<br />
146<br />
vgl. „Unser Corps. Gestern und Heute“. Festschrift des Corps Bavaria zu seiner 175. Jahrfeier vom<br />
17. bis zum 19. Juli 1981. S.6/15<br />
vgl. Kurz, Ferdinand: München 1908, S.85-89.