PDF-Dokument - Burschenschaftsgeschichte
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II. Teil Konfliktfeld: Staat – Gesellschaft – Burschenschaft in München von 1826 bis 1833 216<br />
die fehlende Teilnahme der Frankfurter Bevölkerung für ihr Scheitern verantwortlich<br />
machen, mußten aber auch erkennen, daß eine objektiv exakte Bestimmung einer<br />
revolutionsträchtigen Situation nicht möglich ist. Eine revolutionäre Situation läßt sich<br />
offensichtlich nicht objektivieren. 663 Aber nicht nur der Situation in Frankfurt fehlten die<br />
Essenzen für eine breite Volkserhebung, sondern im ganzen Land, so daß der bereits<br />
geschilderten Erwartungshaltung jegliche Grundlage mangelte. 664 Daß nicht alle<br />
Revolutionäre die Augen vor einem durchaus möglichen Scheitern des Unternehmens<br />
verschlossen, macht, bei aller Opferbereitschaft der Burschenschafter, jene Bemerkung<br />
deutlich, die Körner später seinem Tagebuch anvertraute, als er, trotz dieser Gefahr vor<br />
Augen, für die Durchführung des Unternehmens plädierte, im Bewußtsein, auf der<br />
richtigen Seite des historischen Entwicklungsprozesses zu stehen, allein schon, um ein<br />
nachhaltiges Zeichen für spätere Generationen zu setzen. 665<br />
Nicht unwidersprochen hingegen kann die These im Raum stehen bleiben, als hätte es<br />
sich beim Wachensturm im Sinne einer „umgekehrten Verschwörungstheorie“ um ein<br />
gewolltes Szenarium gehandelt, welches von Metternich in Szene gesetzt wurde, um der<br />
liberalen Oppositionspartei in toto, also vor allem den gemäßigten Kräften unter ihnen,<br />
den Todesstoß zu versetzen. Diese These vom „Wachensturm“ als Liberalen-Falle“ 666<br />
stützt sich im wesentlichen auf zwei Aspekte: Demnach hätten sämtliche Maßnahmen des<br />
Deutschen Bundes seit Hambach den Zweck verfolgt, die liberale Opposition in eine<br />
ausweglose, sprich putschistische Situation zu treiben (diese Funktion wird vor allem den<br />
Juni-/Juli-Beschlüssen unterschoben), um infolge des gescheiterten Attentats juristisch<br />
um so entschiedener vorgehen zu können. Als zweiten Aspekt betont der Autor den<br />
„Verrat“ als hinlängliches Beweismittel, demzufolge der Putsch gar nicht hätte<br />
stattzufinden brauchen, wenn die verantwortlichen Behörden dies nur gewollt hätten. Man<br />
wollte aber den Putsch nicht verhindern, so der Autor, sondern den gescheiterten Putsch<br />
inszenatorisch ausschlachten. 667<br />
Daß das Stattfinden eines Putsches, wenn auch nicht des exakten Zeitpunktes, ein<br />
offenes Geheimnis war, wird von vielen Autoren kolportiert. Daß er aber offenbar<br />
ungehindert vonstatten gehen konnte, ist eher auf die mangelhafte Zurüstung der<br />
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667<br />
vgl. Roeseling, Severin: Köln 1998. S. 311<br />
vgl. Punkt 6.1.<br />
vgl. Wehner, Philipp: München 1917, S. 95. Dort ist der Wortlaut der Tagebuchaufzeichnung Körners<br />
abgedruckt.<br />
vgl. Kassandrus, M. B.: Die Entlarvung der reaktionären Umtriebe. Vom Wiener Kongreß bis zum<br />
Frankfurter Wachensturm. Aspekte zu einer Verteidigung der liberal-demokratischen Bewegung.<br />
Gießen 1987, S. 218/219.<br />
vgl. ebd., S. 220 f