PDF-Dokument - Burschenschaftsgeschichte
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I. Teil Konfliktfeld: Staat – Gesellschaft – Landsmannschaften in Landshut von 1800 bis 1826 97<br />
„Deutschheit“ zugrunde legen dürfen, die auf dem Fundament eines soliden bayerischen<br />
Patriotismus ruhte, der sich zwar im Widerspruch zur regierungsoffiziellen<br />
Frankreichpolitik wußte, letztlich aber sich stark der Tradition und dem Herrscherhaus<br />
verbunden fühlte. Nicht zu übersehen ist auch, daß der antifranzösische Reflex durchaus<br />
auch eine Entsprechung in einer Ablehnung des norddeutschen „Borussismus“ besaß,<br />
deren signifikanteste Ausformung sich in einer sehr unterschiedlichen, man könnte sagen<br />
süddeutschen Variante der „Teutschheit“ bemerkbar machte. Die Quintessenz dieser<br />
„echten Teutschheit“ kettete die Erneuerung Deutschlands unteilbar an eine starke<br />
katholische Glaubensbasis. 287<br />
Die Quellenlage bezüglich des Politisierungsgrades der Landshuter Studenten in der<br />
napoleonischen Zeit ist dürftig. Explizite politische Aussagen finden sich kaum, eine<br />
Tatsache, die deutlich macht, in welch geringem Ausmaß politische Reflexion öffentlich<br />
angestellt wurde.<br />
Ringseis’ diesbezügliche Äußerung darf durchaus verallgemeinert werden, und Clemens<br />
Brentano stellt sicherlich eine richtige Beobachtung an, wenn er die Landshuter Studenten<br />
für unpolitisch hält.<br />
Die in einseitiger Manier zu einer „nationalen Hochburg des Antinapoleonismus“<br />
hochstilisierte Universität in Landshut, auf welcher die nationaldeutschen Ideen<br />
norddeutscher Hochschullehrer (vor allem Savigny) in einer Art nationalen Schulterschluß<br />
mit dem von Landshuter Studenten repräsentierten süddeutschen Patriotismus zu einer<br />
gesamtdeutschen Nationalbewegung verschmolzen wären, sind Teil einer gern<br />
geglaubten Legende, die von Autoren (Kern, Jebens) transportiert werden, welche einer<br />
zeitbedingten antifranzösischen Tendenz verpflichtet waren.<br />
Schützenhilfe für diese Legendenbildung leisteten darüber hinaus die Franzosen selbst,<br />
die in einer Phase erhöhter nervöser Spannung (vor allem nach dem Rußlandfeldzug)<br />
gerade in Landshut an der dortigen Universität das Zentrum antifranzösischer Agitation in<br />
Süddeutschland vermuteten.<br />
Bliebe die Frage, warum der faktischer Zustand legendenhaft umgedeutet werden mußte.<br />
Ein offener politischer Diskurs zum „System Napoleon“ hätte keinerlei<br />
Realisierungschance besessen, auch nicht an der Landshuter Universität, zu ängstlich<br />
war man von der bayerischen Seite darauf bedacht, dem mächtigen Gönner keine zu<br />
offenkundige Handhabe für Gegenmaßnahmen zu bieten.<br />
287<br />
vgl. Beckenbauer, Alfons: München 1992, S.143f