PDF-Dokument - Burschenschaftsgeschichte
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I. Teil Konfliktfeld: Staat – Gesellschaft – Landsmannschaften in Landshut von 1800 bis 1826 92<br />
Bevormundung neigenden und in seinem Bündnis mit Frankreich abgelehnten Montgelas-<br />
Staat forciert. Diese Abwehrhaltung schwand auch nach dem Ende der Ära Napoleons<br />
nicht, sondern bekräftigte in neuerlicher Kritik die Ablehnung des bayerischen<br />
„Souveränitätsegoismus“, dem im wesentlichen die Schuld für das Nichtzustandekommen<br />
einer politischen deutschen Nation angelastet wurde, als dessen legitime Bausteine sich<br />
Franken und Schwaben aus historischer Sicht betrachteten.<br />
Auch in Altbayern ließ sich im Zuge der napoleonischen Bedrückung zwar eine Zunahme<br />
des nationalen Pathos beobachten, letztlich blieb diese Bewegung auf das<br />
Bildungsbürgertum mit entsprechend geringer Breitenwirkung beschränkt. Dem kurzen<br />
Aufglimmen im Zuge des Siegesrausches über Napoleon folgte schon bald die<br />
Ernüchterung mit der Erkenntnis, daß der altbayerischen „Teutschheit“ kein echter<br />
politischer Wille zugrunde lag. Dennoch bedeutete das in Neubayern genährte nationale<br />
Pathos eine latente Gefahr für den bayerischen Souveränitäts- und<br />
Integrationsanspruch. 272 Als eine wie wenig homogene Gruppe sich in dieser Frage das<br />
Bildungsbürgertum darstellte, offenbarte der sogenannte „Gelehrtenstreit“, anläßlich<br />
dessen bayerische Patrioten um Johann Christoph Freiherrn von Aretin in scharfer<br />
polemischer Form gegen den Antinapoleonismus der norddeutschen Gelehrten zu Felde<br />
zogen und ungeachtet der gerade von seiten Frankreichs drohenden Gefahr durch<br />
zunehmende öffentlich-publizistische Diffamierung diesen noch verschärften. Als<br />
Mitauslöser dieser häßlichen Kampagne dürfen anmaßende Arroganz auf der einen und<br />
gekränkte Eitelkeit auf der anderen Seite nicht zu gering veranschlagt werden. 273<br />
Als Kristallisationspunkt der antinapoleonischen und nationaldeutschen Tendenzen im<br />
Süden Deutschlands erwies sich seit 1808 zunehmend der österreichische Botschafter<br />
Friedrich Lothar Graf von Stadion, dem in der Ablehnung der regierungsoffiziellen<br />
Frankreichpolitik eine bürgerlich intellektuelle Elite verschiedener Couleur (unter anderem<br />
besagte nordddeutsche Gelehrte) zur Seite stand, ebenso bei dem Bestreben, Hof, wie<br />
die Bevölkerung Bayerns von der Notwendigkeit eines Systemwechsels Richtung<br />
Österreich zu überzeugen. So sehr die Bemühungen Stadions in Neubayern und<br />
bildungsbürgerlichen Münchener Kreisen von Erfolg gekrönt waren, so wenig konnte die<br />
Regierung um Montgelas in ihrer Haltung beeinflußt werden. Ein Umstand, der Stadion<br />
zur Überzeugung kommen ließ, daß nur die Entfernung Montgelas eine deutschorientierte<br />
Politik in Bayern zum Zuge kommen lassen würde. 274<br />
272<br />
273<br />
274<br />
Blessing, Werner Karl: Staatsintegration als soziale Integration. Zur Entstehung einer bayerischen<br />
Gesellschaft im frühen 19. Jahrhundert. S.633-650. In: ZBLG 41 (1978)<br />
vgl. Scheibeck, Ludwig: Die deutschnationale Bewegung in Bayern 1806-1813. S.42f. München 1914<br />
vgl. Bosl, Karl: Bayern und Frankreich seit 1800. S.226-233. In: Unbekanntes Bayern. Bayern in<br />
Europa, Band 10, München 1965