PDF-Dokument - Burschenschaftsgeschichte
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II. Teil Konfliktfeld: Staat – Gesellschaft – Burschenschaft in München von 1826 bis 1833 164<br />
Pressezensur (31.1.1831) sowie gegen Schenk selbst unter Beweis stellen wird.<br />
Nicht zuletzt die Dezemberereignisse werden ein parlamentarisches Nachspiel in Form<br />
einer parlamentarischen Anfrage von Closens über die Rechtssicherheit der Bürger vor<br />
unkontrollierten staatlichen Übergriffen finden.<br />
4.2. Organisierte Studentenschaft und Staat<br />
Das Jahr 1830 markierte in Bayern den Zeitpunkt, an dem sich eine breite bürgerliche<br />
Protestbewegung unter Einschluß eines Teils der organisierten Studentenschaft<br />
etablieren wird. Von studentischer Seite her fand damit eine „Sozialisationsbewegung“<br />
ihren Abschluß, die ihren Beginn bereits in der Mitte des 18. Jahrhunderts hatte.<br />
Schon 15 bis 20 Jahre vor dem Auftauchen der ersten Burschenschaften band sich die<br />
korporativ-studentische Jugend in das bürgerliche Wertesystem ein und behielt diesen<br />
„Geselligkeits-, Gesittungs- und Disziplinarprozeß“ 485<br />
in der Folgezeit bei. Als<br />
Ausgangspunkt dieser studentischen „Verbürgerlichung“ diente ein gestiegenes<br />
Anforderungsprofil hinsichtlich Ausbildung und Qualifikation an die auf<br />
gesellschaftspolitischem Stillstand und adeligem Status quo verharrende absolutistische<br />
Universität. Gesellschaftliche Druckverhältnisse beförderten nun eine Öffnung der<br />
Universität „nach unten“ und eine letztlich auf die Bedürfnisse reformierter<br />
Verwaltungsstaaten ausgerichteten Neuorientierung der Hochschulen (die Humboldtsche<br />
Hochschulreform). Die organisierte Studentenschaft konnte sich diesem<br />
Anpassungsdruck durchaus nicht entziehen und vollzog einen „Sozialisations- und<br />
Mentalitätswandel“, dessen Ergebnis die Ablösung der alten adeligen auf<br />
Geburtsvorrechten basierenden Elite durch eine neue bürgerliche, auf Leistung und<br />
Bildung beruhende Führungsschicht war. 486<br />
Ablesbar wird dieser Wertewandel innerhalb der korporierten Studentenschaft an einer<br />
sich verändernden Einstellung zum Studium als Vorbereitung auf den Beruf und nicht<br />
mehr als temporär begrenzter Freiraum von jeglicher beruflicher und bürgerlicher<br />
Verpflichtung wie ehedem.<br />
485<br />
486<br />
Hardtwig, Wolfgang: Krise der Universität, studentische Reformbewegung und die Sozialisation der<br />
jugendlichen deutschen Bildungsschicht (1750-1819). In: Geschichte und Gesellschaft. Zeitschrift für<br />
historische Sozialwissenschaft. 11. Jahrgang 1995/Band 1 S. 172f. Vgl. auch Hardtwig, Wolfgang:<br />
Studentische Mentalität – politische Jugendbewegung – Nationalismus. Die Anfänge der deutschen<br />
Burschenschaft.. In: Historische Zeitschrift Band 242. München 1986, S. 585. „Vaterländisches<br />
Bewußtsein“ und Bereitschaft zum Kampf für „Freiheit und Ehre“ waren schon Teil des Wertecodex<br />
von Orden und Landsmannschaften, wenn auch noch ohne nationales Korrelat.<br />
vgl. Hardtwig, Wolfgang: 11. Jahrgang 1995/Band 1 S.158-170