PDF-Dokument - Burschenschaftsgeschichte
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II. Teil Konfliktfeld: Staat – Gesellschaft – Burschenschaft in München von 1826 bis 1833 167<br />
Der burschenschaftliche Freiheitsbegriff geht im wesentlichen auf die von der<br />
Urburschenschaft in den Jenaer Grundsätzen formulierten Postulate zurück, die sich auch<br />
in der Folgezeit substantiell nicht verändern: Gleichheit der Bürger vor dem Gesetz nebst<br />
umfassendem Menschenrechtskatalog, zu dessen zentralen Einforderungspunkten die<br />
Rede- und Pressefreiheit zählen.<br />
Bei aller wiedergewonnenen politischen Wirksamkeit der Burschenschaften in den 20er<br />
Jahren zeigen sich im programmatischen Bereich keine originären Neuansätze, so wenig<br />
sich eine geschlossene politische Programmatik ausbildet. Auf den Burschentagen<br />
diskutierte man primär über Fragen und Ziele der politischen Aktion; das<br />
Zusammenwirken mit anderen illegalen Oppositionsgruppen (Presse) schloß die<br />
Preisgabe der akademischen Exklusivität durch den Allgemeinen Verband mit ein.<br />
Gegenüber anderen studentischen Organisationen (Landsmannschaften, Arminen) diente<br />
der Allgemeine Verband als germanisches Bollwerk und riegelte damit in<br />
programmatischer und organisatorischer Hinsicht die germanische Richtung als „Partei“<br />
innerhalb der Studentenschaft ab. 491<br />
Bilanzierend ließe sich festhalten, daß die Geschichte der organisierten Studentenschaft<br />
eine lange Entwicklungslinie in das Wertesystem des sich sukzessive herausbildenden<br />
bürgerlichen Staates hinein beschreibt und daß sie nur über die Adaption dieser<br />
spezifischen Werte eine politische Größe innerhalb der bürgerlichen Opposition gegen die<br />
sich auf dem Rückzug befindlichen „Feudalstaaten“ werden konnte, und dies alleine bei<br />
sukzessiver Preisgabe spezifisch elitär-burschikoser Lebenswelten bei gleichzeitig<br />
schwindendem politischen Einfluß im 19. Jahrhundert.<br />
5. Staat und Gesellschaft in den Jahren 1831 bis 1833<br />
5.1. Von den Dezemberunruhen bis zum Frankfurter Burschentag<br />
5.1.1. Radikalisierung der Germania<br />
Die Politisierung der Burschenschaften 1830 unter dem Eindruck der außerdeutschen<br />
Indikatoren gilt für die Mehrzahl der deutschen Universitäten. Ein für die Münchner<br />
Germania zusätzlich stimulierendes Element ergab sich aus der Erfahrung des durch das<br />
behördliche Vorgehen erlittenen Ungemaches im Zusammenhang mit den<br />
Dezemberkrawallen. Das staatliche Gewaltmonopol kriminalisierte die Mitglieder der<br />
Germania einerseits und schreckte auch nicht vor versuchter Rechtsbeugung und<br />
schrankenloser Gewaltanwendung andererseits zurück. Dies und der turbulente Landtag<br />
491<br />
vgl. Asmus, Helmut: Berlin 1986, S. 23-29