PDF-Dokument - Burschenschaftsgeschichte
PDF-Dokument - Burschenschaftsgeschichte
PDF-Dokument - Burschenschaftsgeschichte
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
II. Teil Konfliktfeld: Staat – Gesellschaft – Burschenschaft in München von 1826 bis 1833 221<br />
Reservoir der Corps von vornherein zu unterbinden, wurde den Jungstudenten der Beitritt<br />
zu den Corps behördlicherseits temporär verweigert. Der daraufhin einsetzende Protest<br />
von seiten der Corps änderte zunächst weder etwas an den verfügten Maßnahmen noch<br />
an der nun wieder verstärkt einsetzenden staatlichen Überwachungstätigkeit, die ihren<br />
Höhepunkt in der Einrichtung des Ephorats im Jahre 1838 fand, sowie in der Restitution<br />
des philosophischen Bienniums, währenddessen (immerhin vier Semester) es den<br />
Studierenden nicht gestattet war, als Verbindungsstudenten in Erscheinung zu treten.<br />
Durch unterschiedlich gefärbte Legitimationskarten konnten darüber hinaus<br />
Verbindungsstudenten von „Philosophen“ sofort unterschieden werden.<br />
Eine daraufhin von den Corps angestrengte Immediatsbeschwerde an Ludwig hatte zwar<br />
die Rücknahme des Aufnahmeverbots zur Folge, belegte überdies einmal mehr die<br />
Eigenmächtigkeit Ludwigs im Umgang mit seinen Ministern (Ministerium Abel), die sich<br />
brüskiert fühlen mußten, änderte aber nichts an der „Generallinie“, aufkeimende<br />
studentisch-politische Aktivitäten im Keim zu ersticken. 689<br />
Auch bzw. gerade die übertrieben streng empfundene „law and order“-Politik Abels<br />
förderte eher das Entstehen eines politisch aktiven, gänzlich anders organisierten<br />
Studententums. Politisch bewußter, entschieden republikanisch, dabei ideologisch<br />
fundierter und von daher für den Staat gefährlicher, zeigte sich als Vorläufer „eines dritten<br />
Projekts einer politischen Studentenbewegung“ 690<br />
(nach Urburschenschaft und der<br />
Bewegung in den 30er Jahren) im Jahre 1842 den Kreis um Kriege 691 , der<br />
programmatisch an Robert Blum und Arnold Ruge angelehnt war, dessen Existenz aber in<br />
München Episode blieb. Wenn auch an der Universität vordergründig Ruhe herrschte,<br />
größere Organisationskomplexe keine Aussicht auf Realisierung besaßen, so mobilisierte<br />
sich die Studentenschaft doch in kleinen Kreisen und losen Zirkeln und reaktivierte den<br />
nationaldeutschen Geist unter Einfluß der „nachhegelianischen radikal-kritischen<br />
Philosophien und politischer Theorien, die den vormärzlichen Radikalismus insgesamt<br />
prägten“. 692<br />
689<br />
690<br />
691<br />
692<br />
vgl. Pölnitz, Götz Frhr. von: München 1930. S. 64-67. Ende der 30er Jahre zeigten sich Anzeichen<br />
revolutionärer Bewegungen, die über das Ausland (Belgien) auf Bayern zurückwirkten. Der Besuch<br />
des Straßburger Gutenberg-Festes wurde Münchener Studierenden verweigert, ein<br />
Zugehörigkeitsbekenntnis zur ehemaligen Münchener Germania durch eines ihrer damaligen<br />
Mitglieder in Form einer Selbstanzeige in der „Allgemeinen Zeitung“ vom 16. September 1839 rief bei<br />
den Behörden Argwohn hervor, man befürchtete das Wiederaufflackern burschenschaftlicher<br />
Agitation.<br />
Roeseling, Severin: Studentische Protestbewegung in Deutschland (1750 bis 1850), Kurseinheit 3:<br />
Von der Burschenschaft zum Progreß (1825 bis 1850). Hagen 1996, S. 72<br />
vgl. Pölnitz, Götz Frhr. von: München 1930. S. 68 f. Vgl. auch QuD/XI, S. 76. Heer bezeichnete<br />
diesen Kreis als Germania<br />
Roeseling, Severin: Hagen 1996, S. 73