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PDF-Dokument - Burschenschaftsgeschichte

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II. Teil Konfliktfeld: Staat – Gesellschaft – Burschenschaft in München von 1826 bis 1833 153<br />

3.2.2. Das Verhältnis zur Politik<br />

Wiederholt betonte Compes den unpolitischen Charakter der Germania vor dem Jahr<br />

1830. Eine hochverräterische Tendenz habe demnach nicht existiert. 446 Die<br />

Tendenzformulierung in der Münchner Konstitution sei demnach gleichlautend mit der des<br />

Allgemeinen Verbandes in jener Zeit gewesen. Compes gibt sie an mit „Vorbereitung zur<br />

Herbeiführung eines in Freiheit und Gleichheit geordneten deutschen Staatslebens…“.<br />

Die Existenz eines Lebensprinzips 447 bejaht Compes, läßt aber die Frage nach deren<br />

schriftlicher Fixierung in der Konstitution offen.<br />

Die Interpretation des Verbindungszweckes im Sinne einer staatsumstürzlerischen Kritik<br />

weist jedoch Compes weit von sich; der Verbindungscharakter jener Zeit, so Compes, sei<br />

so unpolitisch gewesen, daß es schlechterdings keine Ideale gab, wofür man hätte<br />

„praktisch oder reformatorisch“ tätig sein können. Ohnedies sei der Tendenzparagraph in<br />

seiner politischen Intention von der Mehrheit der Verbindungsmitglieder gar nicht<br />

verstanden worden bzw. einer etwaigen Reflexion dahingehend unterzogen worden.<br />

Wenn die Germania irgendwelche politischen Absichten gehabt haben sollte, so sei ihm<br />

nicht klar gewesen, worin sie bestanden hätten. Natürlich hantierte man mit dem<br />

Begriffsarsenal der Urburschenschaft, aber ohne definitorische Genauigkeit, wenn man<br />

davon absieht, daß man unter dem Begriff „Einheit“ eine lediglich ideelle Wertigkeit<br />

subsumierte – das heißt im Sinne eines Bewußtseins verwandtschaftlicher<br />

Zusammengehörigkeit. Mit dem Begriff „Freiheit“ verband man die Unabhängigkeit von<br />

einer Bevormundung durch eine äußere Macht. Ähnlich nebulösen Gebrauch machte man<br />

von Begriffen wie Volkstum, volkstümliche Bildung, Kräftigung von Körper und Geist 448<br />

(ein Mittel zur Realisierung des vorgegebenen Zweckes). Compes wußte genau, was er<br />

tat, als er der Burschenschaft in der Zeit vor 1830 einen lediglich ideellen Zweck bei<br />

ausschließlich geistigen Mitteln zu deren Realisierung unterschiebt. Zu offenkundig war<br />

die Taktik der Befrager, den zweifelsfrei politischen Charakter mit eingebundener<br />

automatisierter Revolutionsdynamik offenzulegen und wenn möglich unwiderlegbare<br />

schriftliche Zeugnisse dafür zu erbringen, die es möglich machten, hohe Strafmaße<br />

dekretieren zu können. Zwar kam der Untersuchungsausschuß bei der Globalbetrachtung<br />

446<br />

447<br />

448<br />

G.St.B., Rep. 97/VIII/Band 2/Blatt 418f. Compes und seine Aussagen dürfen in diesem Fall als<br />

wichtigere Zeugnisse veranschlagt werden als gleich- oder ähnlichlautende Aussagen von später zur<br />

Germania gestoßenen Mitgliedern.<br />

In diesem Zusammenhang galt für den Burschenschafter die Verpflichtung über seine Studentenzeit<br />

hinaus den Verbindungszweck zu verfolgen. Ob durch Wort und Tat, wie von manchen<br />

Vernommenen behauptet (Otto), oder lediglich in Form publizistisch-rhetorischer Agitation, um das<br />

Bewußtsein breiter Bevölkerungsschichten zu schärfen und somit einen gesellschaftlichen Wandel<br />

evolutionär zu erzwingen, wie von der Mehrheit der Vernommenen konzediert wird, läßt sich mit<br />

Klarheit nicht beantworten.<br />

G.St.B., Rep. 97/VIII/Band 2/Blatt 423f. Vgl. auch Wehner, Philipp: München 1917, S. 44/46. Vgl.<br />

auch Pölnitz, Götz Freiherr von: München 1929, S. 38-40. Vgl. auch QuD Band X S. 171f

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