PDF-Dokument - Burschenschaftsgeschichte
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II. Teil Konfliktfeld: Staat – Gesellschaft – Burschenschaft in München von 1826 bis 1833 137<br />
Ludwigs Regierungsantritt markierte eine Kehrtwende. Der König trat für die Freiheit der<br />
Presse ein, war er doch davon überzeugt, daß jedem Menschen das Recht zustünde, das<br />
zu sagen, was er denke, wenn nur der Anstand gewahrt würde. Zudem sei der Prozeß der<br />
Wahrheitsfindung das Ergebnis des freien Spiels freier Meinung, und die Wahrheit müsse<br />
die Regierung nicht fürchten. 389<br />
Der dünnhäutige Monarch wird es schon sehr bald erleben müssen, daß die von ihren<br />
Fesseln weitgehend befreite Presse die Grenzen dessen, was unter Anstand für ihn<br />
persönlich noch tolerabel war, sehr schnell austesten und überschreiten würde. Nicht<br />
minder groß wird seine schon bald von Zorn getrübte Erfahrung sein, daß Ludwig als<br />
Monarch keineswegs ein Monopol in der Kenntnis des ewig Wahren und Guten besaß,<br />
sondern die „Wahrheit“ sich in ihrer Vielgestaltigkeit und damit Fremdheit nicht wirklich<br />
fassen ließ. Wie wenig er seiner eigenen Libertinage vertraute, wird im letzten Halbsatz<br />
des folgenden Zitates deutlich, aus dem die Halbheit des Ludwigschen Geschenkes<br />
ersichtlich wird und deutlich macht, daß damit keineswegs die Zensur für alle<br />
periodischen Schriften politischen Inhalts aufgehoben wurde: „Unmittelbar nach seinem<br />
Regierungsantritt hatte der König die periodische Presse auf dem Gebiet der inneren<br />
Politik von der Zensur befreit oder doch wenigstens zugelassen, daß eine<br />
Einzelverordnung vom 24. November 1825 und mehrerer Signate von seiner Hand in<br />
diesem Sinn ausgelegt wurden.“ 390<br />
Durch Zugriffe per Verwaltungsordnung hält sich der Monarch einen jederzeitigen<br />
Rückzug offen, wie auch in der Folgezeit der im wesentlichen zensurfreie Raum der<br />
inneren Politik durch die Notwendigkeit bundespolitischer Rückendeckung und daraus<br />
resultierender Rücksichtnahme auf Bundesinteressen mehr und mehr schrumpfte.<br />
Zunächst aber war es Ludwig um Unabhängigkeit nach außen und innen zu tun, ein<br />
Umstand, der gerade hinsichtlich der bayerischen Pressepolitik zu heftiger<br />
Metternichscher Kritik Anlaß gab, der das Landespresserecht dem Bundespresserecht<br />
untergeordnet sehen wollte. 391<br />
Als zweite Konsequenz der Ludwigschen Anfangslibertinage zeigte sich eine sprunghafte<br />
Entwicklung der Presse in Bayern mit einer Vielzahl von Zeitungs- und<br />
Zeitschriftengründungen bis 1830 (Spindler spricht von 25 Blättern), verbunden mit einem<br />
stetigen Zustrom von Journalisten und einem mächtigen Anwachsen auch der politischen<br />
389<br />
390<br />
391<br />
vgl. Treml, Manfred: Berlin 1977. S. 35<br />
Hrsg.: Spindler, Max: Briefwechsel zwischen Ludwig I. von Bayern und Eduard von Schenk 1823-<br />
1844. München 1930, S. XXXII<br />
vgl. Treml, Manfred: Berlin 1977, S. 112-117