PDF-Dokument - Burschenschaftsgeschichte
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I. Teil Konfliktfeld: Staat – Gesellschaft – Landsmannschaften in Landshut von 1800 bis 1826 73<br />
Auseinandersetzung mit anderen Großgruppen, aber auch innerhalb der Corps analog<br />
eines antiquierten ritterlich-militärischen Ehrbegriffs, in der weitgehenden Verweigerung<br />
bürgerlich-integrativer Verhaltensmuster, die etwa im Bewußtsein bestanden hätten, Teil<br />
einer „übergeordneten Staatsnation“ zu sein, in die sich einzubringen langfristig die<br />
Adaption eines spezifisch bürgerlichen Wertekanons bei entsprechender „demokratischer<br />
Konfliktentschärfungsbereitschaft“ bedeutet hätte.<br />
Die in Landshut gültigen archaischen Verhaltensmuster legen also den Schluß nahe, daß<br />
die bereits in Gang befindliche „Gesittungsbewegung“ innerhalb der Landsmannschaften<br />
als unerläßliche Voraussetzung für die Initiation von Burschenschaften in Landshut zu<br />
Beginn des 19. Jahrhunderts noch kaum Einzug gehalten hatte (vgl. auch Hardtwig,<br />
Wolfgang in: DuQu Nr. 14 S. 40 f). Das Abflauen der Konflikte mit Beginn der 20er Jahre<br />
stellt demnach auch kein endgültiges Indiz für ein geändertes Korporationsverhalten dar,<br />
sondern ist der Ausdruck für eine Akzentverschiebung innerhalb der Präferenz der<br />
Feindbilder, schließlich erwuchs mit der Einsetzung von Regierungskommissaren der<br />
korporierten Studentenschaft behördlicherseits eine erneute Bedrohung (obschon sich mit<br />
den 20er Jahren erste Ansätze von Reformbereitschaft gerade in der Modernisierung des<br />
„Ehrbegriffs“ durch die Einführung von sogenannten „Ehrengerichten“ zeigen).<br />
6.3.2. Corps vs. Behörden<br />
Der besagte Bericht Krülls vom 22.12.1806 207<br />
brachte die erste staatliche<br />
Untersuchungswelle gegen die Landsmannschaften ins Rollen. Dieser Bericht stellte<br />
zugleich einen Akt der Notwehr dar, da Hinweise Krülls auf die Existenz geheimer<br />
Gesellschaften und der Notwendigkeit ihrer Verfolgung weder von allen<br />
Professorenkollegen noch von der Einheit des Universitätssenats geteilt wurden.<br />
Insbesondere der Jurist Gönner, dessen Toleranz den Gesellschaften gegenüber bekannt<br />
war, suchte die Ermittlungen Krülls durch dessen Denunziation vor dem Innenministerium<br />
zu hintertreiben. 208<br />
In einer ersten Antwort auf die Krüllschen Berichte bemängelte das Innenministerium<br />
deren ungenügende stichhaltige Beweiskraft, die zu einer Verurteilung der Rädelsführer<br />
schwerlich ausreichen würden, wies aber zum wiederholten Male auf die Notwendigkeit<br />
der Unterdrückung der Gesellschaften aufgrund ihrer negativen Auswirkungen auf das<br />
Bewußtsein der künftigen Staatsdiener gerade hinsichtlich der Entwicklung eines<br />
Gesamtstaatsbewußtseins hin, waren doch die landsmannschaftlichen Corps von<br />
überwiegend partikularer Geisteshaltung geprägt. Bei der akribischen Auflistung der<br />
207<br />
208<br />
MInn 23714/I, Bericht Krülls an das Innenministerium vom 22.12.1806<br />
MInn 23714/I, Bericht Gönners an das Innenministerium vom 13.1.1807