PDF-Dokument - Burschenschaftsgeschichte
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I. Teil Konfliktfeld: Staat – Gesellschaft – Landsmannschaften in Landshut von 1800 bis 1826 90<br />
Selbstauflösung zu belassen und auf eventuelles Nachhaken mit ungewissem Ausgang<br />
zu verzichten. Aber auch diese behördliche Stillhaltetaktik führte nicht zum gewünschten,<br />
bleibenden Resultat. Im Sommersemester 1824 rekonstruierten sich die Corps förmlich,<br />
entzogen sich den von Güntherschen Nachstellungen in die Peripherie Landshuts und<br />
glitten bei veränderter Frontstellung und fehlendem Reglements unvorbereitet in die große<br />
„Völkerschlacht“ vom 28.11.1824. 268 Eine große Zahl Studierender verschiedener Corps<br />
geriet, in regelrechten Marschkolonnen am Sonntag, den 28.11.1824 in die Stadt<br />
zurückkehrend, in eine große Schlägerei, die nur mühsam mit vereinten behördlichen<br />
Kräften beigelegt werden konnte. Mit gewohnter Akribie machte sich von Günther an die<br />
Untersuchung der Vorfälle, als dessen Ursache er ein corpsinternes Zerwürfnis<br />
ausmachen konnte, ohne indes den Inhalt dieses Zwistes zutage fördern zu können. Aber<br />
zumindest gelang ihm der Nachweis einer Fronstellung der altbaierischen Corps zu<br />
Palatia und Suevia. 269 Mit der Strafzubemessung für die für den Tumult Verantwortlichen<br />
am 12.1.1825 erreichte der behördliche Elan zur Bekämpfung der Corps einen letzten<br />
Höhepunkt, um dann für die restlichen eineinhalb Jahre der Existenz der Universität in<br />
Landshut sich in stillschweigender Duldung (Senat, Universitätspolizei),<br />
profilierungsmotivierter Forschheit (von Braunmühl als neuem Stadtkommissar) und in<br />
verbalen Drohgebärden ohne Nachdruck zu erschöpfen (von Widder als neuem<br />
Regierungskommissar). Eine explizite Beobachtung und Darstellung der sich<br />
anbahnenden liberalen behördlichen Gangart den Studentenverbindungen gegenüber<br />
bereits vor Regierungsantritt Ludwig I. soll an anderer Stelle in der Behandlung des Falles<br />
Escherich vorgenommen werden.<br />
7. Bayern und die deutsche Frage<br />
7.1. Unterschiedliche Ausgangspositionen zwischen Nord und Süd<br />
Von Bayern konnte schwerlich der entscheidende Reflex zur Aktivierung eines nationalen<br />
Pathos im Kampf gegen das napoleonische Unterdrückungssystem und für die<br />
Gewinnung einer politischen deutschen Staatsnation ausgehen. Ganz abgesehen von<br />
einer unterschiedlich starken und zudem sehr periphären Ausprägung eines nationalen<br />
Bewußtseins, welches im folgenden näher untersucht werden soll, befand sich die<br />
öffentliche Meinung Bayerns dem napoleonischen Frankreich gegenüber in einem<br />
Zwiespalt, der erst im Zuge der bayerischen Rheinbundpolitik und den damit verbundenen<br />
ökonomischen Pressionen eine weitgehend negative Einfärbung erfuhr.<br />
268<br />
269<br />
vgl. Kaufmann, Fritz: Geschichte des Corps Isaria. Landshut–München. Erster Band 1821-1873,<br />
S.98-103. München 1953<br />
MInn 23714/VI. Untersuchungsbericht von Günthers vom 8.12.1824