PDF-Dokument - Burschenschaftsgeschichte
PDF-Dokument - Burschenschaftsgeschichte
PDF-Dokument - Burschenschaftsgeschichte
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
II. Teil Konfliktfeld: Staat – Gesellschaft – Burschenschaft in München von 1826 bis 1833 195<br />
Es ist Treml beizupflichten, wenn er in Wallerstein den Bewahrer eines letzten Restes der<br />
verfassungsmäßigen Freiheit für die Presse sieht, dem am wenigsten das Abgleiten<br />
Bayerns in die politische Reaktion anzulasten ist. Ihn als „konservativen Liberalen“ zu<br />
beschreiben, der „Elemente herkömmlichen Souveränitätsverständnisses mit Ideen des<br />
modernen Konstitutionalismus“ 581 zu vereinigen wußte, scheint bei genauer Betrachtung<br />
dem politischen Selbstverständnis Wallersteins weit eher zu entsprechen als das<br />
schematisierte Bild des einseitigen „Erfüllungsgehilfen“ monarchischer Reaktionspolitik,<br />
wie es in der älteren Literatur bisweilen geschieht.<br />
Unmittelbar nach Landtagsschluß traten regional unterschiedlich erste Unruhen im Land<br />
auf. Sie sind Ergebnis eines Unbehagens, welches sich aus vielen Quellen speist:<br />
Sicherlich ist die soziale Komponente keine entscheidende, aber auch nicht gänzlich zu<br />
vernachlässigende. Landtagsdeputierte wie Presse als Sprachrohre des Mißvergnügens<br />
müssen hingegen auf der Skala der Bedeutsamkeit ganz oben angesiedelt werden. In<br />
ihrem Gefolge entstehen zahlreiche Vereine, Zirkel, Gruppierungen, auch die<br />
Polenvereine müssen hier subsumiert werden, die im Zuge von Wohltätigkeit,<br />
Gemeinnützigkeit etc. zu politischer Meinungsbildung erheblich beitragen.<br />
In der bayerischen Pfalz wie auch in einigen fränkischen Städten (hier vor allem<br />
Würzburg) erwächst der politischen Opposition eine regionale Massenbasis, die in der<br />
Pfalz nicht nur die Entstehung des Preß- und Vaterlandsvereins begünstigt 582 , sondern<br />
beim Versuch der Regierung das Feuer zu löschen, den Widerstand erst recht anfacht<br />
und durch das Menetekel Hambach die bayerische Regierung in einen doppelten<br />
Zugzwang bringt: Einerseits mußte man kühl und angemessen auf diese Provokation<br />
reagieren, ein schwieriges Unterfangen angesichts des cholerischen, auf „Strafmentalität“<br />
fixierten monarchischen Charakters, andererseits lief man Gefahr, aufgrund der<br />
Bundestagsbeschlüsse vom 28.6.1832 durch eine bundespolitische Exekution entmündigt<br />
zu werden.<br />
Wallerstein wird im Zuge dieser äußeren Ereignisse mehr denn je auf eine konservative<br />
„law and order“-Haltung abgedrängt, die nur wenig Gestaltungsspielraum jenseits davon<br />
bot. Schon Monate vor Hambach ist die bayerische Innenpolitik gekennzeichnet von<br />
personellen Säuberungen, Überwachung bzw. Ausweisung verdächtiger Ausländer,<br />
Zügelung der Presse, Entfernung ungeeigneter Elemente aus Universitäten und<br />
Amtsstuben, Auflösung akademischer Verbindungen, Gesinnungsüberprüfung bei<br />
Neueinstellungen und etliches mehr.<br />
581<br />
582<br />
Treml,Manfred: Berlin 1977, S.175-178<br />
Roeseling, Severin: Köln 1998. S. 198 f