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PDF-Dokument - Burschenschaftsgeschichte

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II. Teil Konfliktfeld: Staat – Gesellschaft – Burschenschaft in München von 1826 bis 1833 214<br />

Frankfurter Insurrektion erfolgten Gefangenenbefreiungen als Auftakt zu einem zweiten<br />

Aufstand durch den nach wie vor existierenden Vaterlandsverein bewertete. 654<br />

In der Einschätzung der Basis des Vaterlandsvereins stützte sich der<br />

Untersuchungsausschuß auf Erkenntnisse des Assisengerichts Landau, wonach der<br />

Vaterlandsverein über Filialen in Württemberg und Rheinbayern verfügte und Kontakte zu<br />

ausländischen Revolutionären unterhielt. Vor allem die flüchtigen Köpfe des<br />

Vaterlandsvereins betrieben laut Bericht in aller Regel die „republikanische Richtung einer<br />

deutschen Revolution“ von Paris aus, wo sie konspirativ im Einklang mit französischen<br />

Revolutionären (Les Amie de Peuple) über die Benutzung polnischer und französischer<br />

Emissäre als Informationsüberbringer als Drahtzieher einer Revolution in Deutschland im<br />

Dienste des republikanischen Frankreich fungieren würden. 655<br />

Um erfolgreich dagegen vorgehen zu können, hielt es der Untersuchungsausschuß für<br />

geboten, über Auslieferungsgesuche der Flüchtigen habhaft zu werden, ein Begehren,<br />

welches nicht nur abschlägig von den „Fluchtstaaten“ (etwa der Schweiz) behandelt<br />

wurde, sondern sogar soweit konterkariert wurde, daß es dem Flüchtigen Dr. Gärth<br />

gelang, in der Schweiz im Range eines fest besoldeten Staatsanwalts unbehelligt eine<br />

bürgerliche Existenz fristen zu können.<br />

In der Tat beruhte die auf dem Weg permanenter Überredung an die studentische Klientel<br />

herangetragene Revolutionsbereitschaft breiter Massen eher auf einer Form von<br />

Selbstsuggestion als auf einer realistischen Einschätzung der Situation. Gewiß waren die<br />

politischen Verhältnisse Süddeutschlands labil, von einer breiten Unmutsbewegung<br />

gerade in den Jahren 1830/31 gespeist und von daher die Erwartungshaltung des<br />

Butzbacher Pfarrers Weidig, der im Sinne einer geglückten Frankfurter Aktion auf einen<br />

Domino-Effekt setzte, nicht ganz von der Hand zu weisen. Dazu hätte es aber eines<br />

implizit entschlossenen „sozialen Trägers“ der Revolution bedurft, eine Voraussetzung,<br />

die nicht gegeben war, wie aus einem Stimmungsbericht August Beckers an Weidig in<br />

bezug auf die sich in völligermaterieller Verarmung befindlichen hessischen Bauern zu<br />

ersehen war. Daß Weidig derartige Einwände wegwischte und an seiner imaginativen<br />

Revolutionsbereitschaft festhielt, mußte das Unternehmen zum Scheitern verurteilen. 656<br />

654<br />

655<br />

656<br />

vgl. MInn 45524/III. Bericht vom 17. März 1834<br />

vgl. MInn 45524/I. Bericht vom 18. Dezember 1833<br />

vgl. Görisch/Mayer, Frankfurt/Main 1982, S. 21-26. Georg Büchner, der in seiner Beurteilung des<br />

Wachensturms das Ganze als zwar „verständliche, gleichwohl vergebliche Unternehmung“<br />

charakterisierte, hält damit die Balance zwischen der Würdigung eines gerechten, aus Verzweiflung<br />

heraus getätigten Unternehmens und dem leisen Tadel, daß bei allen sozialen Anliegen der Aspekt<br />

der Vernunft, welcher im Abwägen des Möglichen mit dem Gegebenen besteht, nicht außer acht<br />

gelassen werden darf.

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