PDF-Dokument - Burschenschaftsgeschichte
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II. Teil Konfliktfeld: Staat – Gesellschaft – Burschenschaft in München von 1826 bis 1833 223<br />
3. „Freiheit“ und „Nation“ 698 bilden die ideologischen Leitbegriffe der vormärzlichen<br />
Protestbewegung. Sowenig theoretische Fundierung sie erfahren, so klar<br />
erscheinen die Konsequenzen ihrer Realisierung. Ihre revolutionäre Qualität<br />
offerierte als Option deren organische Verwirklichung mittels Parlamentarisierung<br />
und freier Presse, ein Weg, der bis Hambach und den nachfolgenden<br />
Bundesbeschlüssen eine breite Zustimmung innerhalb der bürgerlichen<br />
Oppositionsbewegung fand, auch innerhalb der Burschenschaften, die letztlich bis<br />
zum Burschentag in Frankfurt zu deren Verhaltensrepertoire zählte.<br />
Unter dem Eindruck von Hambach und den Bundesbeschlüssen zerbrach die bis dahin<br />
oberflächliche Einheit der liberalen Opposition und spaltete sich in einen revolutionären,<br />
konstitutionell-monarchischen Zweig und eine Minderheit (Vaterlandsverein) von ca. 5.000<br />
Mitgliedern, welche die Republikanisierung Deutschlands auf gewaltsamem Weg und<br />
deren Legitimation aus dem aus Aufklärung und Naturrecht hergeleiteten<br />
Widerstandsrecht bezieht. 699<br />
Dieser Vorgang einer nicht exakt voneinander getrennten „Parteigenese“ ist auch<br />
innerhalb der Burschenschaft zu beobachten, vor allem, als sich aktionsbereite Gruppen<br />
nach Stuttgart in politische Clubs verwandeln, dabei ihren akademischen Habitus<br />
abstreifend, einmal in der Erkenntnis des zur Bedeutungslosigkeit geschmolzenen<br />
Gewichts der ehedem avantgardistischen politischen Studentenbewegung innerhalb der<br />
bürgerlichen Opposition, zum anderen im Bewußtsein innerhalb der Studentenschaft eine<br />
politische Elite darzustellen, die sich aus taktischen Gründen separieren mußte, um damit<br />
das germanisch-arminische Problem einer endgültigen Lösung zuführte. 700<br />
Schlägt man den Bogen von der allgemeinburschenschaftlichen Entwicklungslinie auf die<br />
spezifisch Münchener bzw. bayerische Szenerie, so werden einige Abweichungen<br />
sichtbar, die das im Vergleich zur ersten Burschenschaftsphase (1815 bis 1820)<br />
herrschende Nord-Süd-Gefälle hinsichtlich politisch-programmatischer wie politisch<br />
aktiver Ambitioniertheit umkehren werden.<br />
698<br />
699<br />
700<br />
Zur Genese des Nationenbegriffs, dessen Korrelat sich in den überregional ausbildenden<br />
Studentenbewegungen bis hin zur Burschenschaft wiederfindet. Vgl. Hardtwig, Wolfgang: 1986,<br />
S. 610 f.<br />
vgl. Brandt, Peter: Von der Urburschenschaft bis zum Progreß.. In: „Der Burschen Herrlichkeit“.<br />
Geschichte und Gegenwart des studentischen Korporationswesens. Veröffentlichungen des<br />
Stadtarchivs Würzburg. Band VIII. Würzburg 1998, S. 48/49. Vgl. auch Roeseling, Severin: S. 322.<br />
Etwa, wenn Brüggemann seine Revolutionsforderung mit der „Usurpation des Staates durch die<br />
Fürsten“ legitimiert.<br />
vgl. ebd., S. 320 f. Nach Roeseling hätte diese Lockerung der korporativen Bindungen zu einer<br />
großen Geständnisbereitschaft vor dem Untersuchungsausschuß geführt. Diese These kann in<br />
bezug auf München nur in den wenigsten Fällen (Guitienne, Hoeninghaus, Schrader) und auch hier<br />
nur mit Einschränkungen getroffen werden. In aller Regel sperrten sich die Inkulpanten sofort, wenn<br />
die Fragestellung auf personelle Verflechtungen zielte (vgl. hierzu St.A. 5152/2).