PDF-Dokument - Burschenschaftsgeschichte
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I. Teil Konfliktfeld: Staat – Gesellschaft – Landsmannschaften in Landshut von 1800 bis 1826 55<br />
Corps die starke Zunahme der Rennoncen (hier zu verstehen als „Füchse“ mit erklärter<br />
Absicht einer späteren Vollmitgliedschaft im Corps), die zu Reibereien mit den<br />
Chargierten führte. Aus diesen Auseinandersetzungen ging die Rennoncenschaft gestärkt<br />
hervor, ablesbar an der solidarischen Haltung der Rennoncen den Corps gegenüber bei<br />
deren Auseinandersetzungen mit den Militärs im Jahr 1820, die zum Auszug der<br />
Studenten aus der Stadt führten. Letztlich führte aber die zahlenmäßige Zunahme<br />
innerhalb der Bavaria zur Spaltung des Corps im Jahre 1821, als unter dem Druck der<br />
Rennoncenschaft (auf 136 angewachsen) der Numerus Clausus (zwölf Vollmitglieder)<br />
aufgegeben wurde und der so erweiterte Kreis (Aufnahme im engeren Bund durch<br />
einfache Mehrheit mit 40 Burschen) sehr schnell an die Grenzen seiner<br />
Funktionstüchtigkeit stieß 153 .<br />
Die logische Folge war die Aufspaltung des Corps, aus welchem 17 Burschen unter Anton<br />
von Nagel austraten und am 13.7.1821 als neues Corps die Isaria aus der Taufe<br />
hoben. 154 Die Konsequenzen ergaben sich für die Bavaria in zweifacher Hinsicht: Der<br />
„Frontverlauf“ innerhalb der Corps erfuhr insofern eine Änderung, als sich ehedem<br />
verfeindete Corps verbünden (Bavaria und Palatia) und eine neue Frontstellung gegen<br />
Isaria und Suevia bilden. Des weiteren kehrt die Bavaria zum Prinzip der Einstimmigkeit<br />
bei der Rezeption neuer Corpsburschen zurück, um die Aufnahme „Unwürdiger“<br />
verhindern zu können. Als Folge davon sinkt der Corpsbestand zunächst wieder ab. 155<br />
In die Phase von 1820 bis 1826 fallen drei Ereignisse von Belang für die Bavaria. Am<br />
30.5.1822 kam es auf Anregung des Landshuter Corpsburschen Johann Nepomuk<br />
Vanino zur Kartellvertrag mit Bavaria Erlangen. Zweck des Kartells sollte es sein, beide<br />
Gesellschaften, auch wenn sie an verschiedenen Orten bestanden, zu vereinen. Ein<br />
dementsprechend abgefaßter Kartellvertrag hatte die Konkretisierung dieser Absicht zur<br />
Folge. Demnach galten unter anderem gegenseitige Mitgliedschaft, gegenseitige<br />
Anzeigepflicht wichtiger Ereignisse, ebenso die Mitteilung der Namen der Rennoncen und<br />
Corpsburschen, Anerkennung von Verrufs- bzw. Verschißerklärungen, sowie<br />
automatischer Austritt aus dem Corps bei gerichtlichen Untersuchungen. Zur<br />
Ausgestaltung einer gemeinsamen Konstitution führte dieser Kartellvertrag jedoch nicht.<br />
Jedes Corps behielt seine eigenen Statuten, Heraldik etc.<br />
153<br />
154<br />
155<br />
Gerade in der Auseinandersetzung zwischen engerem Verein und Rennoncen zeigt sich ein auf<br />
Burschenschaftsprinzipien verweisendes demokratisches Element ( Fußnote 133), welches aber in<br />
Landshut nicht zu Burschenschaftsgründungen, sondern zur Spaltung der Corps in zwei<br />
rivalisierende Landsmannschaften und zu einer Verstärkung des „Klassenstandpunktes“ bei Bavaria<br />
durch die Rückkehr zur Einstimmigkeit bei der Rezeption von Mitgliedern führte.<br />
vgl. Weigl, Max: München 1868, S.237-270<br />
vgl. Kurz, Ferdinand: München 1908, S.425/426