PDF-Dokument - Burschenschaftsgeschichte
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II. Teil Konfliktfeld: Staat – Gesellschaft – Burschenschaft in München von 1826 bis 1833 145<br />
Der Würzbürger Burschenschaft, in ihrer explizit germanisch-politischen Ausrichtung wohl<br />
am weitesten gediehen, werden Betreibung und Einberufung des ersten Burschentages<br />
im Herbst 1826 in Augsburg nachgesagt, wohl mit dem Bestreben, erste germanische<br />
Verbände in einem Kartell zu vereinen. Die Quellenlage zu diesem Burschentag ist aber<br />
ganz offenbar so dürftig, daß mit Sicherheit weder der Zweck noch die Teilnahme der<br />
Marcomannia-München festgestellt werden kann. 420<br />
Inwiefern der Arminen-/Germanen-Streit dabei eine Diskussionsrolle spielte, ist noch viel<br />
weniger auszumachen. Fakt scheint indes zu sein, daß sowohl München als auch<br />
Würzburg „den Germanen näher stand“ und auf dem folgenden Burschentag in Nürnberg<br />
(Juni 1827) die am 5. Februar 1827 konstituierte Germania-Erlangen als „rechtmäßige<br />
Burschenschaft“ anerkannt wurde. 421 Das Kartell, welches in diesem Zusammenhang<br />
abgeschlossen wurde, fußte auf der Verfassung der Allgemeinen Deutschen<br />
Burschenschaft (ADB) von 1818, bei leicht veränderter Tendenz (wohl eine Nachbildung<br />
der bereits erfolgten Neuformulierung durch die Würzburger Burschenschaft):<br />
„Herbeiführung eines in Freiheit und Einheit geordneten, volkstümlichen Staatslebens<br />
mittels sittlicher, wissenschaftlicher und körperlicher Ausbildung“. 422<br />
Sie entsprach bereits der in Frankfurt 1831 festgelegten Form und machte die verbalradikale<br />
Politisierung, wie sie wohl schon zu dieser Zeit in der germanischen Richtung der<br />
Burschenschaft bestanden haben mußte, deutlich. Die Formulierung „Herbeiführung“<br />
ohne passivische Einschränkung suggeriert ein nicht unerhebliches politisches<br />
Aktivitätspotential, wie wohl festzuhalten bleibt, daß weder in der aktivistischen<br />
Begrifflichkeit „Herbeiführung“ noch in bezug auf die politischen Zielsetzungen mit den<br />
Metaphern „Freiheit“ und „Einheit“ sowie „volkstümliches Staatsleben“ eine echte<br />
Konkretion herauszulesen ist. Durch das ausdrückliche Bekenntnis zur Verfassung von<br />
1818 bleibt man genötigt festzuhalten, daß in den wesentlichen politischgesellschaftlichen<br />
Fragestellungen die Burschenschaften des Jahres 1827 keinen echten<br />
programmatischen Neuanfang gegenüber der Urburschenschaft darstellten. Daß es sich<br />
bei den Mitteln zur Realisierung dieser Ziele eigentlich um arminische Standpunkte<br />
handelt, dürfte sich einmal aus den Zeitumständen erklären (noch waren bürgerliche<br />
Protestbewegung und Fürstenstaat nicht auf Kollisionskurs), zum anderen aus der<br />
Tatsache, daß der Germanen-/Arminen-Streit noch in der Schwebe war – so auch in<br />
420<br />
421<br />
422<br />
vgl. QuD/Band X S. 157<br />
vgl. Burschenschaftliche Blätter Nr. 6, S. 141-144. Laut Heer (…) war die Spaltung der<br />
Burschenschaft Erlangen primär nicht Ergebnis eines Streits über den Stellenwert der Politik<br />
innerhalb der burschenschaftlichen Aktivitäten, sondern das Ergebnis studentischer und persönlicher<br />
Streitigkeiten, eine These, die bei näherer Betrachtung wenig Wahrscheinlichkeitsgehalt besitzt.<br />
abgedruckt in: QuD/Band X S. 159