PDF-Dokument - Burschenschaftsgeschichte
PDF-Dokument - Burschenschaftsgeschichte
PDF-Dokument - Burschenschaftsgeschichte
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
I. Teil Konfliktfeld: Staat – Gesellschaft – Landsmannschaften in Landshut von 1800 bis 1826 24<br />
Als positiv muß die schnelle durchgreifende Modernisierung des Landes verbucht werden,<br />
allerdings erkauft um den Preis eines radikalen Bruchs mit religiösen, ökonomischen und<br />
autoritativen Traditionen.<br />
Anstelle des überkommenen Konsens aus halbfeudaler Zeit tritt der anonyme Staat als<br />
Regulativ.<br />
Der so entstehende Staat etablierte sich „absolut“ ( Fußnote 17) und zugriffsfähiger, als<br />
es der ehedem absolute Staat vermocht hatte; das heißt auch, daß korporatives<br />
Eigenleben – und hier tangiert der neue bayerische Staat nachhaltig gerade auch die<br />
studentischen Selbstbestimmungsansprüche – weitgehend zurückgedrängt wurde. Dieser<br />
Inkorporationsvorgang erfaßte zwar alle Teilgewalten, aber doch in unterschiedlicher<br />
Ausformung.<br />
Die „Verstaatlichung“ des Königs verhinderte nicht, daß der laut Verfassungsordnung von<br />
1808/1818 Herr der drei Gewalten blieb, wenn auch hinsichtlich der Legislative<br />
Zugeständnisse vor allem an den dritten Stand gemacht werden mußten.<br />
Schließlich war man im Hinblick auf die ökonomische Stärkung des Staates auf die kleine<br />
Zahl an „Hauptaktionären“ der Gesellschaft angewiesen. Was die ehemals tragenden<br />
Säulen der Gesellschaft, Adel und Geistlichkeit, anbelangte, so gelang es vor allem dem<br />
Adel nach und nach, sich jenseits aller verbrieften Privilegien als erster Stand neu zu<br />
etablieren, wohingegen die Geistlichkeit einen nachhaltigen Tribut an den Zeitgeist<br />
entrichten mußte (vgl. Punkt 3). Der vierte Stand blieb ausgegrenzt, die Klassenstruktur<br />
aus feudaler Zeit erhalten.<br />
Das Reformwerk, von einer schmalen Schicht aufgeklärt–liberaler Ministerialbürokraten in<br />
Szene gesetzt, von daher ist richtig von einer „Revolution von oben“ zu sprechen, besaß<br />
jenseits der für ihr Funktionieren benötigten Beamtenschaft keine echte Massenbasis.<br />
Hier liegen also auch die Wurzeln für die sich vor allem unter Ludwig I. etablierende<br />
Gegenbewegung.<br />
Die Münchener Romantik, deren Initiation mit Landshut (vgl. Punkt 4) beginnt, zudem von<br />
einer spezifisch bayerisch-regionalistischen Einfärbung hinsichtlich der Wiederherstellung<br />
und Bewahrung von Tradition und Herkommen geprägt 51 , startet unter Ludwig I. im<br />
51<br />
Gerade in bezug auf die Schul- und Universitätsgestaltung wird dem Geschichtslosen auf reine<br />
Funktion und Nützlichkeit, heißt auf die Reproduktion eines an Vernunftkategorien orientierten<br />
vorgefertigten Wissens reduziertes Menschenbild durch die bewußte Adaption der Klassik, eine<br />
freiere und mündigere, auf Selbstverwirklichung zielende „Konzeption“ des Menschen<br />
entgegengesetzt.<br />
Allerdings wird diese bildungspolitische Adaption erst unter Ludwig I. seit 1825 in zeitlicher Abfolge<br />
etwa zur Etablierung des preußischen Neuhumanismus in Form der Humboldt-Universität erfolgen.