PDF-Dokument - Burschenschaftsgeschichte
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II. Teil Konfliktfeld: Staat – Gesellschaft – Burschenschaft in München von 1826 bis 1833 154<br />
dieser Epoche zu dem Ergebnis, daß die organisierte Studentenschaft nicht mehr die<br />
Rolle einer Avantgarde wie ehedem innerhalb des breiter gewordenen bürgerlichen<br />
Protestspektrums spielte, vielmehr gestand man ihnen – aufgrund ihrer Jugend, der<br />
Unerfahrenheit und der leichten Entflammbarkeit des Gemüts – die Rolle des verführten<br />
Opfers zu, eine Betrachtungsweise, die nichts an der Tatsache änderte, daß die zum<br />
Umsturz bereiten Elemente innerhalb der bürgerlichen Protestpartei unabdingbar bis zu<br />
deren Vernichtung bekämpft werden mußten. 449<br />
Die Burschenschaft in München vor 1830 war weder so unpolitisch, wie sie Compes im<br />
wohlverstandenen Eigeninteresse darstellt, noch auch nur annähernd so umstürzlerisch,<br />
wie die staatliche Untersuchungsbehörde sie sehen wollte.<br />
Sehr wohl aber markierte der Eintritt in die Germania einen Gesinnungswechsel, der in<br />
der Preisgabe der kontemplativen Betrachtung der Welt zugunsten einer mehr<br />
realitätsbezogenen, praktisch-politischen bestand. Im Fall Compes’ wird der<br />
„Schellingsche Faktor“ unter dem Einfluß diverser Mentoren (Friedrich Helfreich, der<br />
zeitgleich mit Compes der Münchner Germania beitrat, und Georg Fein 450 ) zunehmend<br />
von der Tagesaktualität verdrängt. 451 Gerade Compes’ Briefwechsel jener Zeit (alle mit<br />
Helfreich, der allerdings schon zeitlich als Rückschau auf die Münchner Verhältnisse zu<br />
betrachten ist) legen eine scharfe analytische Wahrnehmung der politischen Verhältnisse<br />
Bayerns an den Tag, die nicht nur beißender Kritik unterzogen werden, sondern<br />
zunehmend unter dem Einfluß der französischen Julirevolution die Frage nach praktischpolitischer<br />
Betätigung zu deren Bekämpfung aufwarfen. 452<br />
Die Burschenschaft begnügte sich aber von Anfang an nicht mit einer<br />
verbindungsinternen politischen Auseinandersetzung, sondern versuchte bereits Anfang<br />
Januar 1829 durch Mitarbeit ihrer führenden Köpfe (Pistor, Schulz), an der ersten<br />
Münchner Studentenzeitung (Allgemeine Akademische Zeitschrift für das gesamte Leben<br />
auf Hochschulen) im Stile einer „öffentlichen und redlichen Diskussion…“ 453 , Einfluß auf<br />
die Studentenschaft zu gewinnen. Die harmlos formulierte Zweckbestimmung des<br />
Blattes 454 konnte nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Zeitschrift mehr und mehr zu<br />
einem burschenschaftlichen Organ mutierte. Bei der Behandlung genuin-studentischer<br />
449<br />
450<br />
451<br />
452<br />
453<br />
454<br />
vgl. MInn 45526/I. Ergebnisse der Untersuchungen revolutionärer Verbindungen 1836. Hier vor allem<br />
Beilage A/§ 3: Neuere Geschichte der Burschenschaft. Vgl. auch MInn 45524.<br />
vgl. Allgemeine Deutsche Biographie, Band 6 Seite 606<br />
vgl. Oppermann, Otto: Burschenschaftsbriefe aus der Zeit der Julirevolution.. In: Neu-Heidelberger<br />
Jahrbücher (Hrsg.: Historisch-Philosophischer Verein Heidelberg), Jg. VIII/Heft 1. Heidelberg 1914,<br />
S. 62-70<br />
vgl. ebd., S. 70-73/80-87/91-96<br />
Huber, Max: Würzburg 1939, S. 119 unten<br />
vgl. ebd.