PDF-Dokument - Burschenschaftsgeschichte
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I. Teil Konfliktfeld: Staat – Gesellschaft – Landsmannschaften in Landshut von 1800 bis 1826 59<br />
Aschenbrenner unterstellt wurde, woraufhin dessen Haus von einer aufgebrachten<br />
Studentenmenge demoliert wurde. Der Irrtum klärte sich erst nach erfolgter Selbstanzeige<br />
durch von Wening, wonach er studentischer Feme und Boykott verfiel. 164 Der durch einen<br />
Sinneswandel in der Einstellung zum studentischen Verbindungswesen hervorgerufenen<br />
erneuten Verfolgungswelle, die auf Anraten des Regierungskommissars von Günther<br />
durch ein ministerielles Reskript von Thürheims vom 6.4.1823 eingeleitet wurde, mußte<br />
die Palatia mit vier dimittierten Mitgliedern und einer Reihe von Karzerstrafen Tribut<br />
zollen. Der im Zuge einer vorgeblichen Denunziation provozierten Selbstauflösung der<br />
Corps vom 17.3.1824 folgte Palatia nicht, verlagerte statt dessen die<br />
verbindungsgemäßen Aktivitäten in die Peripherie der Universitätsstadt. Der<br />
Seniorenkonvent hingegen fand ein vorläufiges Ende und wurde auf Initiative Palatias am<br />
24.11.1824 im Verein mit Suevia restituiert, erst 1825 stießen Isaria und Bavaria nach<br />
beigelegtem Konflikt wieder dazu.<br />
Unmittelbar verwickelt war Palatia im bereits erwähnten Götz-Escherich-Konflikt durch<br />
ihren Consenior Götz, der bei besagtem Duell den Bayernsenior Escherich tödlich<br />
verletzte und dafür mit einer hohen Freiheitsstrafe belegt wurde. Damit endete für Palatia<br />
die Landshuter Epoche. 165<br />
Als die älteste landsmannschaftliche Gründung, wenn auch noch unter keiner definierten<br />
Namensgebung, gilt die Suevia (so ihre spätere Bezeichnung). Als Beleg hierfür mögen<br />
Tagebuchaufzeichnungen ihres ersten Seniors Max Freiherrn von Ow dienen, denen<br />
zufolge am 16.12.1803 von ihm als Defensivmaßnahme gegen Beleidigung durch das<br />
Offizierscorps (vom 13.12.1803) – er selbst spricht von einer Affäre, ohne sie näher zu<br />
bestimmen – besagtes Corps ins Leben gerufen wurde.<br />
Nicht ohne Pikanterie liest sich die hehre Absichtsformel von der „politischen und<br />
geistigen“ Existenz, die dem Corps als Ziel vorgegeben wurde in Verbindung mit der<br />
Hoffnung, dem Staat „gute Staatsbeamte“ zur Verfügung zu stellen und das „sittliche<br />
Niveau an der Universität“ zu heben. Eine Formel, deren Umsetzung im<br />
landsmannschaftlichen Alltagsgetriebe sich als plakative Norm erweisen mußte 166 . Über<br />
164<br />
165<br />
166<br />
vgl. Kuhnt, Joachim: Geschichte des Corps Palatia Landshut-München.1813-1913. S.21<br />
vgl. ebd. S.22<br />
Diese Forderungen von Ows zeigen eine erstaunliche Affinität zu den später formulierten<br />
burschenschaftlichen (vor allem arminischen) Tendenzformulierungen, wenn auch, naturgemäß, die<br />
Qualität des politischen Aspekts bei von Ow noch völlig im Dunkeln liegt.<br />
Mit dem Hinweis, dem Staat „gute Staatsbeamte“ zu liefern, ließe sich aber eine optimistische<br />
Grundakzeptanz eines künftigen bürgerlichen Staatswesens durchaus vereinbaren. Diese<br />
Tendenzformel zeigt daher eine im Verhältnis zum Selbstverständnis der Orden geänderte<br />
Einstellung zum Studentenleben, welches nicht mehr als Moratorium vom später bürgerlichen<br />
„Philisterium“ gesehen wurde, sondern als wichtiger und integraler Teil des bürgerlichen Lebens (vgl.<br />
Hardtwig, Wolfgang: Zivilisierung und Politisierung. Die studentische Reformbewegung 1750 bis<br />
1818, S. 42/43. In: DuQu Band 14. Heidelberg 1992.