PDF-Dokument - Burschenschaftsgeschichte
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I. Teil Konfliktfeld: Staat – Gesellschaft – Landsmannschaften in Landshut von 1800 bis 1826 78<br />
Indiskretion seiner Tochter die Teilnahme seines Sohnes Michael von Gönner an einer<br />
verbotenen Verbindung und somit die Weiterexistenz der Landsmannschaften über das<br />
Dekret vom 28.2.1813 hinaus – trotz abverlangten Handgelübdes im Sommersemester<br />
1813 – eine entscheidende Erhärtung erfuhr. Gönner ließ seine Erkenntnisse Professor<br />
Mittermaier mit der Bitte um Aufklärung der Hintergründe zukommen. Mittermaier jedoch,<br />
bekannt für seine konziliante Haltung den geheimen Verbindungen gegenüber, rief die<br />
vermeintlichen Senioren zu sich, um ihnen bei sofortiger Selbstauflösung Diskretion und<br />
damit Straffreiheit von seiner Seite zuzusichern, eine Vereinbarung, an die sich die<br />
Verbindungshäupter letztlich nicht hielten und Mittermaier den Vorwurf der unterlassenen<br />
Anzeigepflicht eintrugen. 223<br />
In zwei schnell aufeinanderfolgenden Untersuchungswellen vom 8.9. und 10.9.1813<br />
erbrachten Hausdurchsuchungen belastendes Material, wobei sich bei späteren<br />
Vernehmungen vor allem die Existenz von Stammbuchblättern als eher nachteilig für die<br />
Studierenden erweisen sollte. Eine umfangreiche Vernehmung Verdächtiger konnte<br />
aufgrund der Semesterferien ohnehin erst nach deren Beendigung anberaumt werden.<br />
Allerdings zeitigte selbst die Einvernahme der wenigen anwesenden Verdächtigen ein<br />
kräftiges Beweisbild, wie aus dem ersten Untersuchungsbericht unschwer zu entnehmen<br />
ist. 224 Weitere Untersuchungen folgten, nicht ohne Protest von seiten Medicus', der sich<br />
durch die Einsetzung einer unabhängigen Untersuchungskommission (Krüll und von<br />
Chrismar) übergangen fühlte. 225 Im Oktober 1813 schlüsselten zwei detaillierte Berichte<br />
die Existenz von fünf namentlich erwähnten geheimen Verbindungen, ihre Weiterexistenz<br />
über den 28.2.1813 hinaus sowie ihre lediglich zum Schein vorgenommene Auflösung<br />
auf. Der Nachweis eines Ehrengerichts zur Schlichtung von Ehrenhändel nach eigenem<br />
Ermessen sowie die Losung der Verbindungen (einer für alle, alle für einen) konnten<br />
erbracht werden. Die Vernehmung der Studenten förderte auch eine auf Absprache<br />
beruhende Taktik der Studierenden zutage (die Semesterferien boten genug Gelegenheit<br />
dazu), die Existenz geheimer Verbindungen über den 28.2.1813 hinaus strikt zu leugnen,<br />
ihre Aktivitäten lediglich unter dem Aspekt harmloser Kameraderie erscheinen zu lassen,<br />
gewisse Schuldeingeständnisse hinsichtlich Existenz und Zugehörigkeit vor jenem<br />
ominösen Datum in Maßen zuzugestehen, darauf hoffend, durch das legalistische<br />
Verhalten nach Erscheinen des Reskripts amnestiert zu werden.<br />
Den Untersuchungsausschüssen gelang es aber, über Stammbuchblatteintragungen und<br />
geständnisbereite Aussagen (unter anderem Stammbuchblätter des Studenten Popp,<br />
Aussagen Michael von Gönners etc.) die Weiterexistenz der geheimen Verbindungen<br />
223<br />
224<br />
225<br />
MInn 23714/II, Aussage Mittermaiers vor dem akademischen Senat vom 24.9.1813<br />
MInn 23714/II, der Untersuchungsbericht des Senats vom 11.9.1813<br />
MInn 23714/II, Medicus an das Innenministerium vom 18.9.1813