PDF-Dokument - Burschenschaftsgeschichte
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I. Teil Konfliktfeld: Staat – Gesellschaft – Landsmannschaften in Landshut von 1800 bis 1826 45<br />
Die organisatorische Struktur der Corps veränderte sich im Laufe der Zeit nur im Detail,<br />
nicht im Prinzipiellen. Die Leitung eines Corps blieb dem engeren Kreis, dem<br />
sogenannten Kränzchen, vorbehalten; hier handelte es sich um eine Gruppe<br />
freundschaftlich eng verbundener Landsleute, die über Wahlen innerhalb der<br />
Rennoncenschaft in diesen Kreis gelangte. Aus ihrer Mitte rekrutierte sich die eigentliche<br />
Führung des Corps: die Senioren, Consenioren und Sekretäre. Die Mitgliederzahl der<br />
Kränzchen war nach oben hin begrenzt (innerhalb der Landshuter Corps bewegten sich<br />
die Zahlenverhältnisse zwischen zehn und 20 Chargierter). In loser Verbindung dazu<br />
stand der an Zahl weitaus größere Teil der studentischen Landsleute, der sogenannte<br />
äußere Kreis, Rennoncen genannt, deren Kennzeichen in der Bereitschaft bestand, den<br />
geschriebenen Komment zu wahren und zu akzeptieren. 122<br />
Die Richtschnur für das burschikose Leben gab der geschriebene Komment ab. In diesem<br />
wurden alle für das Burschenleben relevaten Regularien einer möglichst genauen<br />
Definition zugeführt, deren Beachtung für jedes Corpsmitglied verbindlich war. Nicht nur<br />
waren darin die Pflichten der Burschen sowie ein abgestuftes Bestrafungsregulativ bei<br />
deren Mißachtung geregelt, er enthielt auch präzise Angaben über die Begegnungsrituale<br />
auf der Straße, gerade hinsichtlich der Beobachtung einer strikten Ehrerbietigkeit der<br />
sogenannten „Füchse“ den schon etablierten Corpsmitgliedern gegenüber, ein Katalog<br />
von Beleidigungen gewichtete jene nach dem Grad ihrer „Schwere“, woraus sich das Maß<br />
der notwendigen Satisfaktion ableiten ließ.<br />
Ehrverletzungen mußten mit der Waffe bereinigt werden. Verweigerte Satisfaktion hatte<br />
„Verschißerklärung“ und Ausschluß aus dem Corps zur Folge. 123 Im Zentrum des<br />
Komments befand sich der aus der Kavaliersehre des 17. Jahrhunderts tradierte vertiefte<br />
Standes- bzw. persönliche Ehrbegriff, dessen verstärkte Herausbildung im 18.<br />
Jahrhundert mit der schrittweisen Zurückdrängung des Pennalismus, dieses Relikts<br />
mittelalterlichen Korporationsgeistes, einherging. Verletzte Ehre fand ihre Satisfaktion in<br />
einer ritualisierten Abfolge persönlicher Duelle. 124<br />
Die Lust am Sich-Duellieren ließ die „Ehre“ nicht selten als Mittel zum Zweck verkommen,<br />
und gerade in Landshut konnte trotz wiederholter verschärfter Verbote die<br />
Duellbereitschaft nicht eingedämmt werden. „Man schlug sich nicht, um Beleidigungen<br />
122<br />
123<br />
124<br />
vgl.Buchmüller,Wilhelm:Leipzig/Berlin 1922. S.76. Vgl. auch Beckenbauer, Alfons: München 1992,<br />
S.164-166. Die Zahlen für die Rennoncenschaft innerhalb der Landshuter Corps war mit 60 bis 80<br />
Studierenden recht hoch, erklärbar wird dies aufgrund des hohen Organisationsgrades der<br />
Studierenden in landsmannschaftlichen Verbindungen an der Landshuter Universität.<br />
vgl. Fabricius, Wilhelm: Frankfurt/Main 1926, S.340-343<br />
vgl. Bruchmüller, Wilhelm: Leipzig/Berlin 1922, S.79-81