PDF-Dokument - Burschenschaftsgeschichte
PDF-Dokument - Burschenschaftsgeschichte
PDF-Dokument - Burschenschaftsgeschichte
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
I. Teil Konfliktfeld: Staat – Gesellschaft – Landsmannschaften in Landshut von 1800 bis 1826 80<br />
übergetretene Verurteilte sollten nach Maßgabe der Militärs einer Bestrafung zugeführt<br />
werden. 230 Nach dem energischen Zupacken der Behörden im Jahre 1813 schien sich das<br />
Problem um die Studentenverbindungen erledigt zu haben, und noch zu Beginn des<br />
Wintersemesters 1814/15 konnte Medicus in einem Bericht über den Stand der Dinge<br />
gegenüber von Chrismar feststellen, daß hinsichtlich der Existenz geheimer<br />
Verbindungen keinerlei Nachrichten vorlägen. 231 Um so überraschender die Mitteilungen<br />
von Chrismars vor dem Senat am 12.1.1815, anläßlich welcher er von einer Vielzahl von<br />
Duellen (die er aber nicht beweisen konnte) und von vorgenommenen Zimmervisitationen<br />
berichtete, die eine Vielzahl von unwiderlegbaren Belegen hinsichtlich der Weiterexistenz<br />
der geheimen Verbindungen zutage gefördert hätten. 232 Unter anderem hätten sich beim<br />
Studenten von Poschinger ein Burschenkomment und beim Studierenden Heiserer<br />
Stammbuchblätter und ein Kassenbuch mit den Eintragungen über Reparatur bzw.<br />
Neuanschaffung von Duellwaffen gefunden. 233 Seinem Antrag um Einsetzung einer<br />
Untersuchungskommission wurde von seiten des Innenministeriums am 19.1.1815<br />
stattgegeben, am 26.1.1815 begann die Vernehmung einer allerdings kleinen Zahl fraglos<br />
Verdächtiger. Schon die Zusammenstellung der Untersuchungskommission stand unter<br />
einem unguten Stern, wie sich sehr bald erweisen sollte, denn Krüll vertrat angesichts der<br />
zutage geförderten Beweise eine diametral den Schlüssen von Chrismars<br />
entgegengesetzte Haltung, und die Zwietracht innerhalb der Untersuchungskommission<br />
warf erneut ein trübes Licht auf die Professorenschaft und deren gespaltenes Verhältnis<br />
gegenüber den Studentenverbindungen. Die Verhöre stießen von Anfang an auf eine<br />
undurchdringliche Mauer des Schweigens 234 und Leugnens, und man unterbrach schon<br />
bald die Untersuchungen, um im Senat über eine Beurteilung und Neuausrichtung der<br />
Marschrichting in dieser Angelegenheit zu beraten.<br />
Krüll konnte in seinem Gutachten keine Beweise für die Existenz von Landsmannschaften<br />
erkennen, sondern lediglich landsmannschaftlich ähnliche Strukturen unter den<br />
Studierenden (hierunter verstand er die ersichtlichen Verschißerklärungen und<br />
erkennbaren Subordinationsstrukturen). Der Verdacht der Weiterexistenz von<br />
Landsmannschaften sei nicht von der Hand zu weisen, allein handfeste Beweise hätten<br />
die Untersuchungen seiner Meinung nach nicht zutage gefördert, stütze man sich doch<br />
lediglich auf Heiserers Aussage und Tagebuch. Damit würde sich auch die Frage nach<br />
230<br />
231<br />
232<br />
233<br />
234<br />
UAM, D XIV 4 a, königliche Verordnung vom 16.4.1814<br />
MInn 23714/IV, Medicus bei von Chrismar, Bericht vom 18.12.1814<br />
MInn 23714/IV, der Bericht von Chrismars vor dem Senat vom 12.1.1815<br />
ebd.<br />
MInn 23714/IV, von Poschinger etwa bagatellisierte, wie bereits erwähnt, den bei ihm gefundenen<br />
Burschenkomment als ein Geschenk eines von der Universität längst abgegangenen Kommilitonen,<br />
dessen Gültigkeit lange vor seiner Zeit stattgehabt hätte; Heiserer wiederum bagatellisierte die<br />
Rechnungsbelege über die Duellwaffen mit dem Hinweis, daß diese samt und sonders für die auf<br />
dem offiziellen Fechtplatz verwendeten Waffen Nachweise darstellen würden.